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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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beschützen konnte, ist etwas, womit ich bis ans Ende meiner Tage leben muss», fuhr Reuben fort, als er sich wieder gefasst hatte.
    Nideck nickte. Er schien beinahe Mitleid zu haben. Dann sagte er sanft: «Sie sind ein beeindruckender junger Mann.»
    Reuben versuchte sich nicht aufs Glatteis locken zu lassen.
Falls er mich töten will, spielt er seine Rolle teuflisch gut.
    Nideck fuhr fort: «Verzeihen Sie, wenn ich mir als der Ältere das Recht herausnehme, so etwas zu sagen.» Er klang aufrichtig und beinahe besorgt. «Ich will Ihnen nicht zu nahe treten. Und vielleicht bin ich auch nicht so viel älter als Sie, um mir derlei herausnehmen zu dürfen, aber sehen Sie, manchmal fühle ich mich wesentlich älter. Ich wollte nur sagen, dass Ihre Fotos Ihnen nicht gerecht werden. Darauf sehen Sie in einem sehr weltlichen Sinne zwar ausgesprochen gut aus, aber Sie wirken merkwürdig distanziert, uninteressiert, empathielos. Von Angesicht zu Angesicht wirken Sie jedoch anders. Jetzt sehe ich in Ihnen den Verfasser der Artikel im
Observer
: jemanden, der etwas Bedeutendes zu sagen hat und es auf eine mitfühlende, geradezu poetische Art tut.»
    Die Anwälte saßen so steif da, dass man ihnen ansah, wie unwohl sie sich fühlten. Reuben hingegen ging das Herz auf. Trotzdem wollte er nicht unvorsichtig werden.
Dann willst du mich also nicht töten? Oder beabsichtigst du, mir Honig um den Bart zu schmieren, während du genauso brutal vorgehst wie dieser widerwärtige Marrok?
    Wie auch immer – er hatte Felix Nideck vor sich, und er musste sich jetzt zusammenreißen.
    «Sie sind also an den persönlichen Hinterlassenschaften Ihres Vaters interessiert», sagte er. «Seine Tagebücher, nehme ich an? Und die Tontafeln mit der antiken Keilschrift?»
    «Reuben», intervenierte Simon und hob warnend die Hände. «Lassen Sie uns nicht ins Detail gehen, bevor Mr. Nideck seine Absichten deutlicher erklärt hat!»
    «Antike Tontafeln?», murmelte Arthur Hammermill und rutschte nervös auf seinem Stuhl herum. «Was soll das sein? Davon habe ich ja noch nie etwas gehört.»
    «Mein Vater hat alte Keilschriften gesammelt, als er sich in Vorderasien aufhielt», sagte Nideck. «Tatsächlich gilt ihnen mein Hauptinteresse, und seinen Tagebücher natürlich. Sie bedeuten mir viel.»
    «Können Sie seine Geheimschrift denn lesen?», fragte Reuben.
    Er glaubte, seinem Gegenüber eine leichte Irritation anmerken zu können.
    «Fast alle Notizen und Dokumente, die ich gefunden habe, sind in einer Geheimsprache geschrieben», fuhr Reuben fort.
    «Ich weiß», sagte Nideck. «Ich bin mit dieser Schrift vertraut.»
    Reuben holte den Brief an Marrok aus der Jackentasche und schob ihn über den Tisch. «Dann haben Sie das hier vielleicht geschrieben?», fragte er. «Es scheint die gleiche Schrift zu sein wie die Ihres Vaters.»
    Nideck starrte auf den Brief und schien vor allem eines zu sein: überrascht. Erst nach einer Weile streckte er die Hand danach aus, nahm den Brief an sich und sagte: «Wie sind Sie darangekommen, wenn ich fragen darf?»
    «Wenn Sie ihn geschrieben haben, gehört er Ihnen», sagte Reuben, ohne auf die Frage einzugehen.
    «Würden Sie mir bitte sagen, wie Sie an diesen Brief gekommen sind?», wiederholte Nideck seine Frage höflich.
    «Dieser Brief wurde in einem Gasthof im Städtchen Nideck für einen Mann abgegeben, der sich als Bewacher des Hauses betrachtete», sagte Reuben. «Kein sympathischer Mensch. Er hat den Brief übrigens nicht erhalten. Er wurde mir überreicht, nachdem der Mann verschwunden war.»
    «Verschwunden?»
    «Ja, verschwunden. In Luft aufgelöst.»
    Nideck ließ sich nicht anmerken, was er dachte, sondern fragte nur: «Sie haben ihn kennengelernt?» Wieder wirkten sein Blick und sein Ton, als habe er Mitleid mit Reuben. Zugleich wollte er es wissen.
    «O ja», sagte Reuben. «Es war eine ziemlich herausfordernde Begegnung.» Womit wir beim Thema wären, dachte Reuben. Lass alles raus! «Extrem herausfordernd sogar, für mich und meine Partnerin, die mit mir in dem Haus wohnt. Man könnte sagen: eine desaströse Begegnung. Am Ende aber nicht für uns, sondern für ihn.»
    Nideck hatte sichtlich damit zu tun, diese Mitteilung zu verarbeiten. Obwohl er keine Miene verzog, schien er doch tief bewegt zu sein.
    «Ich denke, wir sollten nun zum Geschäftlichen kommen», sagte Simon. «Falls Sie noch mehr Gesprächsbedarf haben, können wir jederzeit ein weiteres Treffen arrangieren. Jetzt

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