Das Geschenk der Wölfe
die Stimme seines eigenen Gewissens, das wie ein Messer in seine Seele schnitt.
Mach es wieder gut! Benutze deine neue Kraft dafür! Was hast du diesem Jungen angetan? Was wird aus ihm, wenn er überlebt? Ein Morphenkind wie du?
Irgendwann ertrug er diese Gedanken nicht länger. Der Friede, den er hier oben suchte, wollte sich nicht einstellen. Er musste sich bewegen und begann, von Baum zu Baum zu springen, nachdem Laura sich wieder an ihn geklammert hatte. In einem großen Bogen bewegten sie sich in den Baumwipfeln auf den Rand des Redwoodwalds zurück. Laura schien praktisch nichts zu wiegen. Sie roch so gut, als trüge er einen Strauß frischgepflückter Blumen mit sich herum. Er begann, an ihrem Hals und ihren Wangen zu lecken, und aus seinem Inneren ertönte ein begehrliches Stöhnen, das auch ihre Lust entfachte.
Sie verstärkte den Druck ihrer Arme und Beine, und Reuben stieg in die wärmere, niedrigere Zone des Walds ab, denn Lauras Hände waren eiskalt.
Langsam trug er sie durch den Eichenwald. Hier und da blieb er stehen, um sie zu küssen. Er schob die linke Pfote unter ihren Pullover und spürte ihre heiße, feuchte Haut, die so wunderbar duftete. Er hob sie höher, um an ihren Brüsten zu saugen. Sie seufzte.
Im Haus angekommen, legte er sie auf den großen Esszimmertisch und nahm ihre kalten Hände in seine warmen Pfoten. Das Zimmer war dunkel. Das Haus ächzte im scharfen Seewind. Nur aus der Diele schien etwas Licht herüber.
Reuben sah Laura lange an. Sie wartete auf ihn. Ihr Haar war offen, hier und da hatte sich ein Blatt darin verfangen. Mit großen, verlangenden Augen sah sie ihn an.
Er fachte das Feuer im Kamin an. Es knackte und fauchte, und die Flammen züngelten hoch. Ihr Widerschein zuckte über die Zimmerdecke und die polierte Tischplatte.
Laura begann sich auszuziehen, aber mit einer sanften Geste gebot Reuben ihr Einhalt, weil er es selber tun wollte. Langsam rollte er ihren Pullover hoch und legte ihn zur Seite, dann zog er ihr Hose und Schuhe aus.
Sie nackt vor sich zu sehen steigerte seine Lust ins Unermessliche. Er rieb die weiche Unterseite seiner Pfoten an ihren nackten Füßen und Schenkeln.
«Ich will dir nicht weh tun», flüsterte er mit der tiefen Stimme, die ihm mittlerweile so vertraut war. «Du musst es mir sagen, wenn ich dir weh tue.»
«Du tust mir nie weh», flüsterte Laura. «Du kannst mir gar nicht weh tun.»
Er leckte mit seiner langen, rauen Zunge über ihren ganzen Körper und drückte ihre Brüste mit den Pfoten hoch.
Weiche von mir, Unglück!
Er kniete sich über sie und hob sie an, bis er leicht in sie eindringen konnte. Alles um ihn herum versank im Nichts, und er nahm nichts mehr wahr außer ihr, bis er auch sie nicht mehr wahrnahm.
Hinterher hob er sie vom Tisch und trug sie die Treppe hinauf und durch den dunklen Flur ins Schlafzimmer. Der Geruch von Parfüm und Kerzen erfüllte die Stille.
Er legte sie aufs Bett, wo sie nur ein Schatten auf den weißen Laken zu sein schien, und setzte sich neben sie. Wie selbstverständlich schloss er die Augen und setzte seine Rückverwandlung in Gang. Es kribbelte in seiner Brust, und das Wolfsfell zog sich wie von Zauberhand zurück, wurde weich und verschwand dann ganz. Die orgasmischen Krämpfe packten ihn nur kurz, und schon bald blickte er auf seine nackte Menschenhaut, seine Hände und Füße.
«Ich habe heute etwas Furchtbares getan», sagte er.
«Sag doch endlich, was!», sagte Laura und drückte zärtlich seinen Arm.
«Ich habe den Jungen verletzt, den ich retten wollte. Ich glaube sogar, dass ich das Chrisam an ihn weitergegeben habe.»
Laura sagte nichts, sondern sah ihn nur mitfühlend an. Das hatte er nicht erwartet. Gehofft vielleicht, aber nicht erwartet.
«Und wenn er nun stirbt?», fragte er beklommen. «Was, wenn ich unschuldiges Blut vergossen habe? Oder wenn aus ihm bestenfalls wird, was aus mir geworden ist?»
[zur Inhaltsübersicht]
31
S chon am nächsten Morgen war die Geschichte in allen Medien. Nicht so sehr, weil der Wolfsmensch die Frechheit besessen hatte, so weit nördlich wie Santa Rosa zuzuschlagen und vier Killer zerfleischt hatte, sondern weil der Überlebende eigene Schlagzeilen produzierte.
Als jugendliches Opfer eines beinahe tödlichen Überfalls sollte seine Identität geheim gehalten werden, aber um fünf Uhr morgens hatte er vom Krankenhausbett aus die Presse angerufen und verschiedenen Reportern seine Version der Ereignisse erzählt.
Er hieß Stuart
Weitere Kostenlose Bücher