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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Kleider vom Leib und rannte los. Noch während er sich verwandelte, erklomm er die Bäume.
    Wieder und wieder hörte er die gellenden Schreie, und sie brachten sein Blut zum Kochen. Sie kamen von Teenagern, die geschlagen wurden und Angst hatten, verstümmelt oder gar getötet zu werden. Daneben das brutale Geschrei, die Flüche und Drohungen der Angreifer.
    Die Geräusche kamen nicht aus dem Park, sondern vom verwahrlosten Hinterhof eines dunklen, heruntergekommenen Hauses. Eine Viererbande hatte zwei Jungen hierhergebracht, um sie systematisch zu quälen. Im Näherkommen spürte Reuben, dass eins der Opfer seinem letzten Atemzug nahe war. Er roch Blut, Wut und Terror.
    Den sterbenden Jungen konnte er nicht mehr retten, das wusste er, aber den anderen, der noch um sein Leben kämpfte.
    Mit einem wüsten Schrei stürzte er sich auf zwei Angreifer, die den Unterleib des vitaleren Jungen mit Fäusten traktierten. Der Junge setzte sich zur Wehr und beschimpfte die Angreifer: «Scheißkerle, Killer, ich hasse euch!»
    In dem Durcheinander von Gliedmaßen schnappte Reuben zielsicher nach dem stinkenden Kopf eines Angreifers, während er mit der rechten Pfote den Haarschopf eines anderen packte. Der erste wand sich vor Schmerzen, als Reuben die Zähne in seinen Schädel schlug. Noch einmal griff der Mann nach dem blutenden Jungen und schien ihn wie einen menschlichen Schutzschild vor sich ziehen zu wollen. Den anderen Angreifer warf Reuben zu Boden und zerschmetterte ihm den Kopf in dem schmutzigen Hof. Dann stürzte er sich mit aller Kraft auf den anderen und riss ihm große Fleischbrocken aus dem Leib, um sie zu verschlingen. Jetzt konnte sich das Opfer aus dem Griff des Sterbenden befreien.
    Reuben hatte keine Zeit, sein Mahl zu genießen. Er riss dem Mann den Hals auf, packte hinein und nahm, was er kriegen konnte, als ihn auch schon die anderen beiden Bandenmitglieder angriffen.
    Mit gezückten Messern stürzten sie sich auf ihn und versuchten, ihm das «Kostüm» auszuziehen. Einer stach zwei-, dreimal auf ihn ein, und der andere versuchte ihm die «Maske» vom Kopf zu schneiden.
    Blut schoss Reuben aus Brust und Kopf und tropfte ihm in die Augen. Seine Wut steigerte sich zur Raserei. Einem Angreifer riss er das Gesicht mit den Klauen in Fetzen und schlitzte ihm die Halsschlagader auf. Den anderen erwischte er, als er über den Maschendrahtzaun flüchten wollte. Er schlug zu, und augenblicklich war der andere tot. Reuben beugte sich über ihn und verschlang sein Bein. Dann ließ er ihn los und taumelte zurück. Vor Anstrengung und Blutrausch fühlte er sich ganz benommen. Der Geruch des Bösen wurde schwächer, aber andere Gerüche irritierten ihn. Ringsum sammelten sich Schaulustige, und hinter ihm roch es nach Tod.
    In den umliegenden Häusern gingen immer mehr Lichter an. Stimmen wurden laut, Schreie. Auch in dem Haus direkt über dem Hof wurde Licht gemacht.
    Reubens Wunden schmerzten, aber er spürte, dass sie bereits zu heilen begannen, das Loch über seinem rechten Auge juckte sogar schon – ein Zeichen, dass die Heilung weit fortgeschritten war. In der Dunkelheit sah er das verletzte Opfer durch den müllübersäten Hof auf den anderen, den toten Jungen zukriechen. Der Junge kniete sich neben den Freund und rüttelte ihn, als wollte er ihn wieder zum Leben erwecken. Als er begriff, was geschehen war, stieß er einen fürchterlichen Schrei aus.
    Dann kroch er zu Reuben. Schluchzend sagte er: «Er ist tot. Die haben ihn umgebracht. Er ist tot, tot, tot!»
    Schweigend blickte Reuben auf den verletzten, halbnackten Jungen. Er und sein Freund konnten nicht älter als sechzehn sein. Der Junge stand auf. Gesicht und Kleidung waren blutüberströmt. Hilfesuchend streckte er Reuben die Hände entgegen. Dann wurde er ohnmächtig und fiel vornüber.
    Erst als er so vor Reuben lag, konnte der die winzige blutende Wunde in seiner ausgestreckten linken Hand sehen. Es war nur ein kleines Loch. Dann fand Reuben noch mehrere Wunden dieser Art an den Handgelenken und Unterarmen des Jungen. Es waren Bisswunden, kein Zweifel!
    Reuben erstarrte.
    In den angrenzenden Höfen tuschelten Menschen miteinander, und die Hintertür des Hauses wurde geöffnet.
    Dann schrillten Sirenen, kamen näher und bohrten sich wie glühende Stangen in Reubens Gehörgänge.
    Er zog sich in eine dunkle Nische zurück.
    Blinklichter wurden von den schweren Regenwolken reflektiert, erschienen dann neben dem Haus und tauchten es in gespenstisches Licht.

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