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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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mir so leid. Ich weiß nicht, was letzte Nacht mit mir los war. Ich musste einfach raus. Da hab ich das Fenster eingeschlagen und …»
    Mehr konnte man nicht verstehen, weil die russische Ärztin und Grace einander anzuschreien begannen. Die Russin zeterte: «Alles wäre nur halb so kompliziert, wenn Ihr Sohn und der Junge einfach mitkämen.»
    In ihrem Ton lag etwas Anmaßendes und Aggressives, und Reuben konnte den Geruch der Bosheit, den sie verströmte, kaum ertragen.
    Simon war völlig durchnässt und machte in seinem grauen Anzug eine traurige Figur, vor allem aber war er wütend. Erregt fasste er Reuben am Arm und sagte: «Diese Anordnungen zur Zwangseinweisung sind ungültig! Möchte wissen, wer sie unterschrieben hat! Die Unterschriften scheinen nicht echt zu sein. Wer sind diese Leute überhaupt?»
    Erst jetzt begriff Reuben, dass Jaska und die Russin mit polizeilichem Geleit gekommen waren, um Stuart und ihn in irgendeine Anstalt oder Klinik zwangseinzuweisen – vielleicht die in Sausalito.
    «Sie sehen ja selbst, dass dieser junge Mann nicht gewalttätig ist.» Simon sah die beiden Russen an und fuhr fort: «Ich warne Sie! Wenn Sie versuchen, ihn oder den Jungen gewaltsam von hier fortzuschaffen, dann …»
    Ohne weiter zuzuhören, drehte sich die russische Ärztin abrupt zu Reuben um und stellte sich vor. «Dr. Daria Klopow», sagte sie mit ihrem starken Akzent, hob die weißen Augenbrauen, kniff die Augen zusammen und streckte eine kleine, dicke Hand aus. Sie lächelte mechanisch und entblößte dabei eine Zahnreihe, die aus Porzellan zu sein schien. Ihr Geruch signalisierte Verachtung und Herrschsucht. «Vertrauen Sie mir, junger Mann. Ich kenne mich mit dem, was Sie durchmachen, bestens aus.»
    «Genau», sagte Dr. Jaska. Auch sein Lächeln war aufgesetzt, sein Akzent der Gleiche wie der der Frau. «Niemand soll zu Schaden kommen. Aber Sie sehen ja selbst, wie viele Bewaffnete da draußen auf Sie warten.» Er drehte sich zur Haustür, als wollte er sie öffnen und die «Bewaffneten» hereinlassen.
    Grace ratterte Paragraphen herunter, nach denen sein Handeln illegal war, und drohte ihm alle möglichen Klagen an.
    Jim stand in seinem Priestergewand neben Reuben, und Phil rückte an ihre Seite. Mit seinem zerzausten Haar, dem zerknitterten Hemd und der verrutschten Krawatte entsprach er ganz dem Bild des zerstreuten Professors. Er schüttelte den Kopf und murmelte: «Nein, nein. Kommt nicht in Frage. Kommt überhaupt nicht in Frage, was Sie da vorhaben.»
    Reuben hörte Stuart mit Dr. Cutler sprechen. «Ich will hierbleiben, bei Reuben. Er ist mein Freund. Bitte lassen Sie mich hierbleiben, Dr. Cutler! Bitte, bitte, bitte!»
    Was soll ich bloß tun?
    «Ach was!», sagte Dr. Klopow arrogant. «Sie sehen doch selbst, dass wir im Besitz von Dokumenten sind, die zum Wohle der beiden …»
    «Welcher Mediziner soll diese sogenannten Dokumente unterschrieben haben?», ging Grace dazwischen. «So geht das nicht! Das lasse ich nicht zu.»
    «Ich würde ohnehin nicht mitkommen», sagte Reuben.
    Im nächsten Moment öffnete Jaska die Haustür, und eisiger Wind blies herein. Er rief den Polizisten etwas zu.
    Der Sheriff protestierte: «Lassen Sie das, Doktor! Ich kümmere mich um die Angelegenheit. Die Männer sollen draußen bleiben.» Dann trat er selber an die Tür. «Alle bleiben, wo sie sind!», rief er. Der grauhaarige Mann, Ende sechzig und allem Anschein nach ein friedliebender Mensch, schien mit der Situation ganz und gar nicht einverstanden. Er sah Reuben und Stuart aufmerksam an, schüttelte dann den Kopf und fragte in die Runde: «Kann mir irgendjemand erklären, wenn’s geht mit einfachen Worten, warum diese beiden jungen Männer gegen ihren Willen festgesetzt werden sollten? Das wäre hilfreich, denn ich persönlich kann nicht erkennen, dass ihnen etwas fehlt.»
    «Natürlich können Sie es nicht erkennen», erregte sich Dr. Klopow und stöckelte über das Eichenparkett, als brauchte sie das Geklacker, um sich selbst Mut zu machen. «Sie kennen die Krankheit nicht, mit der wir es hier zu tun haben. Sie tritt nur anfallsweise auf, aber deswegen ist sie nicht weniger gefährlich. Außerdem können Sie nicht wissen, dass wir ausgewiesene Experten auf diesem Gebiet sind.»
    Sie wollte noch mehr sagen, aber Simon Oliver schnitt ihr das Wort ab und sagte zum Sheriff: «Ziehen Sie Ihre Leute da draußen ab und schicken Sie sie nach Hause!»
    Die Tür stand noch offen. Von draußen drangen

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