Das Geschenk der Wölfe
ihn!»
Der Sheriff nestelte an seinem Pistolenhalfter.
Draußen wurde wieder geschossen.
Unbeeindruckt schnappte die Bestie nach dem baumelnden Kopf der Ärztin und riss ihn mit einem einzigen Ruck ab. Dann schwenkte sie den Kopf triumphierend umher und warf ihn schließlich hinaus in die Dunkelheit.
Der leblose Rumpf fiel zu Boden und traf den Sheriff, der auf den Rücken fiel, während die Bestie Jaska auf der Flucht zum Wintergarten einholte.
Jaska stolperte, krachte in die Pflanzenkübel und ließ eine Schimpftirade auf Russisch los. Der Wolfsmensch riss auch ihm den Kopf ab. Dieses Mal warf er den Kopf in die Diele, wo er bis zu der herausgerissenen Tür rollte, dem Sheriff, der gerade wieder hochkam, direkt vor die Füße. Der Sheriff zog seine Waffe und streckte den Arm aus, um zu schießen, aber er zitterte so sehr, dass er nicht zielen konnte.
Der Wolfsmensch ging an ihm vorbei und zog Jaskas leblosen Körper an einer Klaue hinter sich her.
Reuben starrte auf seine kraftvollen, dichtbehaarten Beine, seinen geschmeidigen Gang, die fließenden Bewegungen seiner Muskeln. Alles war so wie bei seinem eigenen Körper in Wolfsgestalt, aber er hatte es noch nie gesehen. Es war wunderschön.
Der Wolfsmensch ließ die Leiche fallen und sprang an Grace und Jim vorbei durch die Diele und dann weiter in die Bibliothek. Dort machte er einen gewaltigen Satz durch einen Vorhang und das Fenster, das nach Osten ging, und verschwand. Glassplitter und Vorhang fielen zu Boden, dann begann es ins Zimmer zu regnen.
Reuben stand da wie erstarrt. Die Krämpfe waren kaum noch zu beherrschen, aber seine Haut war wie ein schützender Eisenpanzer.
Um ihn herum herrschte Chaos. Dr. Cutler war inzwischen vollkommen hysterisch. Stuart hielt sie in den Armen und redete beruhigend auf sie ein. Grace, die von der fliehenden Bestie umgerempelt worden war, stand wieder auf und sah dem Wolfsmenschen entsetzt nach. Jim betete kniend und mit geschlossenen Augen.
Phil eilte seiner Frau zu Hilfe, und Laura, die jetzt zur Tür hereinkam und Jaskas Leiche dort liegen sah, tauschte einen alarmierten Blick mit Reuben. Dann streckte er die Arme aus, und sie schmiegte sich an ihn.
Simon Oliver war mit gerötetem und schweißnassem Gesicht rücklings in einen Sessel gefallen, griff sich an die Brust und versuchte wieder aufzustehen.
Nur Margon, Felix und Thibault standen während des ganzen Durcheinanders völlig unbewegt da. Als Erster reagierte Thibault und ging auf den Sheriff zu, um ihm zu helfen. Der nahm dankbar seinen Arm, ging an Reuben und Laura vorbei aus der Tür und rief seinen Leuten Befehle zu.
Die Sirenen der Polizeiwagen heulten auf.
Felix stand ganz ruhig da und blickte auf Jaskas Kopf, der auf der Seite lag und mit toten Augen ins Leere starrte. Margon ging zu Dr. Cutler und sagte, sie solle sich beruhigen, «die Kreatur» sei geflohen. Die Ärztin sah aus, als müsse sie sich jeden Moment übergeben.
Die Polizisten machten sich in Richtung Wald auf. Immer mehr Sirenen waren zu hören. Blaulicht zuckte durch die Diele und erhellte in rhythmischen Abständen den Leichnam von Dr. Klopow, der in blutigen Kleidern auf der obersten Stufe vor der Haustür im Regen lag. Zwei Polizisten, die mit gezückten Waffen ins Haus kamen, stolperten darüber.
Stuart, weiß wie die Wand, stand reglos da und starrte mit leerem Blick vor sich hin.
Der arme Junge! Mitfühlend sah Reuben, dass er zitterte.
Zusammen mit einem Beamten der Autobahnpolizei kam der Sheriff in die Diele zurück und schrie: «Keiner verlässt diesen Raum, bevor wir von jedem Einzelnen eine Zeugenaussage haben!»
Auch Grace war blass geworden und zitterte. Ihre Augen waren weit aufgerissen und schwammen in Tränen. Phil redete beruhigend auf sie ein und streichelte sie.
Felix und Thibault sprachen mit dem Sheriff, aber Reuben konnte sie nicht verstehen.
Grace und Reuben tauschten einen Blick. Dann tat Grace etwas, das Reuben nie von ihr erwartet hätte: Sie wurde ohnmächtig. Wie ein Klotz fiel sie Phil aus dem Arm und schlug dumpf auf den Boden.
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35
E s war die seltsamste Party, auf der Reuben je war.
Die Spurensicherung mit Beamten aus San Francisco, Mendocino County und vom FBI hatte ihre Arbeit erledigt und war wieder abgezogen.
Simon Oliver war mit Verdacht auf Herzinfarkt in die nächste Notaufnahme gebracht worden, aber es hatte sich herausgestellt, dass er lediglich eine Panikattacke erlitten hatte.
Die letzten Zeugen wurden
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