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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Telefon sei ihm aus der Hand gefallen, bevor er einen Anruf machen konnte, und er habe es nicht wiedergefunden. Wenn der Notruf jedoch von seinem Telefon gekommen sei, müsse er sich wohl irren.
    («Mord! Mord!» Das soll er immer wieder geschrien haben? Es klang gar nicht nach ihm.)
    Celeste fand, dass er nicht weitersprechen solle. Er brauche einen Anwalt. Noch nie hatte Reuben sie so besorgt gesehen, so sehr den Tränen nahe.
    «Nein, Unsinn», sagte Reuben. «Ich brauche keinen Anwalt.»
    «Du hast eine Gehirnerschütterung», sagte Grace. «Deswegen kannst du dich nicht richtig erinnern. Es ist ein Wunder, dass du überhaupt noch so viel weißt.»
    «‹Mord! Mord!› Das soll ich gesagt haben?»
    Er wusste genau, dass er versucht hatte, sein Telefon wiederzufinden, und war sich sicher, dass er es nicht geschafft hatte.
    Obwohl er von den Schmerzmitteln ziemlich benommen war, konnte er seiner Mutter ansehen, wie erschüttert sie war. Wie gewohnt trug sie ihren grünen Chirurgenanzug, die roten Haare hatte sie mit Haarklammern gebändigt, ihre blauen Augen waren rot gerändert, und sie sah müde aus. Wenn sie ihn anfasste, spürte er, dass ihre Hände zitterten, obwohl sie sich nichts anmerken zu lassen versuchte.
    Als er vierundzwanzig Stunden darauf in ein normales Krankenzimmer verlegt wurde, brachte Celeste ihm die Nachricht, Marchent sei von ihren eigenen Brüdern umgebracht worden.
    Tatsächlich waren sie mit einem gestohlenen Wagen zu dem Haus an den Klippen rausgefahren, hatten sich mit Perücken, Skimasken und Handschuhen vermummt und die Stromleitung zum Haus gekappt – nicht ohne zuvor die alte Hausangestellte im Dienstbotenflügel in ihrem Bett zu erschlagen. Um es wie das Werk eines x-beliebigen Einbrechers aussehen zu lassen, hatten sie die Fenster des Esszimmers eingeschlagen, obwohl die Hintertür des Hauses unverschlossen gewesen war.
    Marchent hatten sie in der Küche angetroffen, gleich neben dem Arbeitszimmer. Eine kleine Waffe, auf der sich nur Marchents Fingerabdrücke befanden, war neben ihrer Leiche gefunden worden, aber daraus war kein Schuss abgegeben worden.
    Welches Tier die Brüder getötet hatte, blieb vorläufig unklar, denn es konnten keine Spuren auf dem Anwesen gefunden werden. Seine Bisse hatten die Brüder auf der Stelle getötet, aber bislang konnte man nicht sagen, von was für einem Tier sie stammten.
    Die Leute aus der Umgebung glaubten, dass es sich um Berglöwen handelte, die dort schon länger ihr Unwesen trieben.
    Reuben sagte dazu nichts, obwohl er immer wieder die Geräusche hörte, die dieses Tier von sich gegeben hatte, und seine Pfote auf dem Rücken zu spüren glaubte. Dann durchfuhr ihn jedes Mal ein furchtbarer Schreck, und er fühlte sich wieder so hilflos wie im Moment des Angriffs und akzeptierte, dass er sterben würde.
    «Dieses Gerede macht mich noch ganz verrückt», ereiferte sich Grace. «Einmal stammt der Speichel des Tiers von einem Hund, dann wieder von einem Wolf. Neuerdings wird nicht mal ausgeschlossen, dass die Bissspuren von einem Menschen stammen könnten. Irgendwas scheint in diesem Labor in Mendocino gründlich schiefzugehen, aber niemand will es zugeben. Tatsache ist, dass deine Wunden nicht richtig untersucht wurden. Völlig ausgeschlossen, dass sie von einem Menschen stammen. Und von einem Berglöwen stammen sie auch nicht. So etwas Absurdes!»
    «Aber warum hat dieses Tier von mir abgelassen?», fragte Reuben. «Warum hat es mich nicht genauso getötet wie die anderen?»
    «Wenn es die Tollwut hat, wäre ein sprunghaftes Verhalten normal», erklärte Grace. «Auch Bären können die Tollwut bekommen, Berglöwen allerdings nicht. Vielleicht wurde das Tier auch abgelenkt. Wir wissen es einfach nicht. Aber es spielt ja auch keine Rolle. Hauptsache, du lebst.» Dann sagte sie noch etwas davon, dass am Tatort keine Haare und kein Fell gefunden worden waren. «Dabei hätten da doch irgendwelche tierischen Spuren sein müssen!»
    Reuben glaubte wieder den keuchenden Atem des Tiers zu hören, und ihm wurde bewusst, dass es überhaupt nicht nach Tier gerochen hatte. Trotzdem hatte er ein Tier gespürt, das dichte Fell eines Hundes oder Wolfs, direkt an seiner Haut.
    Grace war dankbar, dass die Rettungssanitäter Reubens Wunden an Ort und Stelle versorgt hatten, aber sie fand, dass wenigstens die Wunden der Getöteten darauf hätten untersucht werden müssen, ob das Tier die Tollwut hatte.
    «Sie hatten es mit einem Massaker zu tun, Grace», sagte

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