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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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und Kosten zu ersparen. Auch alle Versicherungen hatte sie für ein Jahr im Voraus bezahlt.
    Außerdem hatte sie dafür gesorgt, dass ihren Brüdern die Summe ausgezahlt würde, die ihnen bei einem Verkauf des Hauses zugestanden hätte.
    Die Dokumente fanden sich alle auf ihrem Schreibtisch, zusammen mit einer Liste «für Reuben», auf der sie Lieferanten, Handwerker und andere Leute verzeichnet hatte, die sich in der Vergangenheit um das Haus gekümmert hatten.
    Ihr letzter Anruf hatte einem Freund in Buenos Aires gegolten, dem sie gesagt hatte, dass sie früher als erwartet zurückkehren werde.
    Siebeneinhalb Minuten nach diesem Telefonat war in der regionalen Notrufzentrale der Hilferuf «Mord! Mord!» eingegangen.
    Reuben war völlig perplex.
    Grace ließ sich ganz entsetzt in den Stuhl neben seinem Bett fallen, als sie von der Sache hörte, und sagte: «Was für ein Klotz am Bein! Wie willst du dieses Haus je wieder loswerden?»
    Celeste sagte unsicher: «Irgendwie hat es aber auch was Romantisches.»
    Der unerwartete Besitzerwechsel beschäftigte auch die Strafverfolgungsbehörden, und es wurden eine Menge Fragen gestellt. Reubens Familie schaltete ihre Anwälte ein.
    Das bedeutete aber nicht, dass irgendein Verdacht auf Reuben fiel. Er hatte eine weiße Weste und war bislang nicht einmal wegen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung aufgefallen. Seine Eltern waren international anerkannte Kapazitäten. Außerdem wäre er beinahe umgekommen. Der Messerstich in den Bauch hatte nur knapp lebenswichtige Organe verfehlt, sein Hals war grün und blau, er hatte eine Gehirnerschütterung, und der Tierbiss hätte ihm beinahe eine Halsvene durchtrennt.
    Celeste versicherte ihm, die Staatsanwaltschaft sei sich darüber einig, dass sich kein Mensch solche Verletzungen selbst beibringen konnte. Außerdem hatten die Brüder ein Motiv, und zwei ihrer Bekannten hatten ausgesagt, dass die Brüder von einem derartigen Vorhaben gesprochen hatten, allerdings hätte man es für Angeberei gehalten und nicht gedacht, dass sie es wirklich tun würden.
    Reubens Anwesenheit in dem Haus zur Tatzeit hatte einen nachvollziehbaren Grund. Seine Herausgeberin selbst hatte ihn auf diese Story angesetzt, und es gab keinerlei Spuren, die darauf hindeuteten, dass sein Kontakt mit Marchent nicht einvernehmlicher Natur war.
    Stunde um Stunde verbrachte er in seinem Krankenbett damit, Fakten wie diese durchzugehen. Wann immer er zu schlafen versuchte, merkte er, dass seine Gedanken in einer teuflischen Endlosschleife gefangen waren. Immer und immer wieder rannte er in Gedanken die Treppe hinunter, um Marchent zu retten. Wusste sie, dass die Angreifer ihre Brüder waren? Hatte sie sie trotz ihrer Verkleidung erkannt?
    Wenn er einschlummerte, wachte er kurz darauf wie gehetzt auf, und alles tat ihm weh, weil er sich so furchtbar angestrengt hatte, Marchent zu retten. Dann spürte er auch wieder die eigenen Verletzungen im Gesicht, am Hals und am Bauch und klingelte nach einer Schwester, um nach mehr Schmerzmitteln zu verlangen. Wenn er dann wieder einschlief, ging der Albtraum von vorne los.
    Und dann gab es da diese Stimmen und Geräusche, die ihn immer wieder aufweckten. In einem anderen Zimmer weinte jemand. Eine Frau schrie ihre Tochter an: «Lass mich sterben! Lass mich bitte, bitte sterben!»
    Er hätte schwören können, dass mit den Belüftungsschächten dieses Krankenhauses etwas nicht stimmte. Wie sonst sollte er Menschen hören, die sich in anderen Stockwerken oder gar auf der Straße befanden? Überall waren diese Stimmen, und er verstand jedes Wort.
    «Das sind die Medikamente», sagte seine Mutter. «Du musst Geduld haben.» Trotzdem änderte sie die Dosierung der Spritzen, die sie ihm selbst verabreichte, und dann sagte sie plötzlich: «Ich möchte noch ein paar zusätzliche Tests durchführen.»
    «Wozu?»
    «Auch wenn es verrückt klingt, mein Junge, aber ich könnte schwören, dass deine Augen dunkler werden.»
    «Bitte, Mutter!», sagte Reuben spöttisch. «Wer hat hier die Drogen bekommen?» Dass Celeste das auch schon gesagt hatte, erwähnte er nicht, sondern dachte:
Vielleicht sehe ich nun endlich seriöser und respektabler aus
.
    Seine Mutter sah ihn an, als hätte er nichts gesagt. «Es ist wirklich erstaunlich, was für ein zäher, kerngesunder Bursche du bist, Reuben.»
    Das sagten alle.
    Sein bester Freund aus Berkeley, Mort Keller, kam ihn zweimal besuchen, und Reuben wusste es umso mehr zu schätzen, als Mort

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