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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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«Ich habe zwar einen Grundstücksplan und so weiter, aber ist das Gelände eigentlich umzäunt?»
    «Nein», sagte Galton. «Der Redwoodwald erstreckt sich über viele Kilometer und beherbergt einige der ältesten Bäume der Region. Trotzdem gibt es hier nicht viele Wanderer. Wir liegen hier zu weit abseits der gängigen Ausflugsrouten. Die meisten Leute besuchen die State Parks. Im Norden grenzt das Grundstück der Familie Hamilton an unseres, im Osten das der Dexels, aber soviel ich weiß, wohnt da niemand mehr. Ihr Haus steht seit Jahren zum Verkauf. Allerdings habe ich da vor ein paar Wochen Licht brennen sehen. Die Bäume dort sind so alt wie in unserem Teil des Walds.»
    «Ich kann’s gar nicht abwarten, in den Wald zu gehen», murmelte Reuben, als er endlich allein war. Allein.
    Was könnte schöner sein, als in Wolfsgestalt den Wald zu durchstreifen? Er würde neue Dinge sehen, riechen und vielleicht auch schmecken.
    Aber was war mit der Berglöwin und ihren Jungen? Ob sie wirklich in der Nähe waren? Bei diesem Gedanken regte sich etwas in ihm. Ein Tier – stark wie ein Berglöwe. Würde er schneller sein? Könnte er es töten?
    Er blieb noch eine Weile an der Küchentür stehen, bis die Geräusche von Galtons Truck leiser wurden. Dann wandte er sich dem leeren Haus zu, um sich dem zu stellen, was dort geschehen war.

[zur Inhaltsübersicht]
    9
    E r hatte keine Angst gehabt, als er zum ersten Mal hierhergekommen war, und auch jetzt hatte er keine. Er fühlte sich stark und selbstsicher, und zwar in einem Maße, wie er es vor der Transformation nicht gekannt hatte.
    Trotzdem war ihm nicht ganz wohl dabei, völlig allein zu sein. Alleinsein war nie seine Stärke gewesen.
    Er war im lebhaften San Francisco aufgewachsen, in einem schmalen, hohen Haus in Russian Hill, wo sich Grace und Phil in den kleinen, aber stilvollen Zimmern permanent kabbelten und ständig alle möglichen Leute kamen und gingen, vor allem Grace’ Freunde und Kollegen. Sein Leben lang hatte er jede Menge Menschen um sich gehabt. Wenige Schritte von ihrem Haus entfernt wimmelte es von Fußgängern und dem Verkehr von North Beach und der Fisherman’s Wharf. Sein Lieblingsrestaurant am geschäftigen Union Square lag nur Minuten entfernt. Seine Ferien hatte er mit der ganzen Familie auf Kreuzfahrtschiffen verbracht oder war mit anderen Studenten zu den Burgruinen Vorderasiens gereist.
    Jetzt hatte er die Stille und Abgeschiedenheit, nach der er sich gesehnt und die er hier an jenem Nachmittag mit Marchent so genossen hatte. Doch plötzlich fühlte er sich einsamer als je zuvor, und ihm war, als läge eine große Distanz zwischen ihm und dem Rest der Welt. Sogar die Erinnerung an Marchent schien weit weg zu sein.
    Sollte es da draußen jedoch etwas geben, das mehr von ihm wusste als sonst jemand, so konnte er momentan nichts davon spüren oder hören. Was er hörte, waren ganz gewöhnliche Geräusche, die nichts Bedrohliches hatten.
    Er wagte nicht zu hoffen, dass die Kreatur wiederkehrte, solange er hier so einsam war.
    Er sagte sich, dass es Zeit war, an die Arbeit zu gehen, den Ort zu erkunden und so viel wie möglich darüber in Erfahrung zu bringen.
    In der großen, verwinkelten Küche war alles blitzblank geputzt. Sogar die kleinen Fußmatten waren neu und passten nicht zu dem weißen Marmorboden. Kupfertöpfe und -pfannen hingen von eisernen Haken über dem Herdblock in der Mitte des Raums, in dessen Holzoberfläche kleine Spülbecken eingelassen waren. Arbeitsplatten aus schwarzem Granit säumten die Wände. Hinter den Glastüren der weiß lackierten Schränke befanden sich Unmengen von Porzellan mit verschiedenen Dekors und Gebrauchsgegenstände wie Wasserkrüge und Schüsseln.
    Zwischen Küche und Esszimmer befand sich ein langer, schmaler Raum, der in früheren Zeiten wohl das Reich des Butlers gewesen sein musste. Jetzt waren dort weitere Schränke, hinter deren Glastüren sich noch mehr Porzellan, Geschirrtücher, Tischdecken und so weiter befanden.
    Langsam drehte er sich zu Marchents Arbeitszimmer um, bewegte sich auf den kleinen, dunklen Raum zu und starrte auf den leeren Schreibtisch. Das Zimmer war einmal das westliche Ende der Küche gewesen und hatte den gleichen weißen Marmorboden. Alles, was er in jener schrecklichen Nacht dort gesehen hatte, war offenbar weggeräumt und in weißen Kisten verstaut worden, die von den Ermittlern mit Ziffern und Abkürzungen in schwarzem Filzstift versehen worden waren. Der Boden war

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