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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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nicht einfach den Mund halten? Sollte der alte Mann doch glauben, was er wollte. Alle anderen taten es doch auch.
    «Ich hätte es gerochen, wenn es ein Berglöwe gewesen wäre», sagte Reuben.
    Unwillig schüttelte Galton den Kopf. «Jedenfalls hat sie sich meinen Hund geholt, und deswegen werde ich sie töten.»
    Reuben nickte.
    Der alte Mann ging die breite Eichentreppe hinauf. «Haben Sie schon von dem armen kleinen Mädchen in Marin County gehört?», fragte er über die Schulter.
    Reuben murmelte, das hätte er. Er war immer noch damit beschäftigt, die Atmosphäre des Hauses aufzusaugen.
    Alles war auffallend sauber, die polierten Eichendielen am Rand der alten Orientteppiche glänzten. Die kleinen kerzenförmigen Wandlampen waren eingeschaltet, wie damals.
    «Sie können meine Sachen in das Zimmer dort hinten bringen», sagte er. Es war das letzte im Westflügel, Felix’ früheres Zimmer.
    «Wollen Sie denn nicht das große Schlafzimmer vorne im Haus nehmen? Es ist viel sonniger, ein wirklich schönes Zimmer.»
    «Später vielleicht. Fürs Erste reicht dieses.»
    Galton ging voran und betätigte den Lichtschalter, ohne hinzusehen. Er musste dieses Zimmer wohl sehr gut kennen.
    Auf dem Bett lag eine einfache geblümte Tagesdecke, aber darunter waren Bettdecke und Kopfkissen frisch bezogen, und im Bad fand Reuben saubere Handtücher.
    «Meine Frau hat getan, was sie konnte», sagte Galton. «Die Bank wollte, dass alles schön hergerichtet wird, sobald die Spurensicherung hier fertig war.»
    «Verstehe», sagte Reuben.
    Galton war freundlich und hilfsbereit, aber Reuben wollte die Führung so schnell wie möglich hinter sich bringen.
    Sie gingen durch mehrere Zimmer und sprachen über fällige Reparaturen, ein wackliger Türknauf hier, ein klemmendes Fenster dort, abblätternde Farbe an einer Badezimmerwand.
    Das große Schlafzimmer war tatsächlich beeindruckend. An den Wänden klebte noch die original William Morris Blumentapete. Von allen Zimmern an der Frontseite des Hauses war es das beste. Es lag in der Südwestecke, die Fenster zeigten in beide Himmelsrichtungen. Das dazugehörige Badezimmer war aus Marmor, groß und mit einer Dusche ausgestattet. Da Galton erwartet hatte, dass Reuben sich hier niederlassen würde, hatte er Feuer im Kamin gemacht.
    «Früher gab es eine eiserne Stiege in der linken Ecke dort», sagte Galton. «Sie führte auf den Dachboden. Aber Felix gefiel das nicht. Er wollte da oben ungestört sein und bat seinen Neffen und dessen Frau, die Treppe zu entfernen.» Galton fand sichtlich Gefallen an der Rolle des Fremdenführers. «Die Möbel sind alle noch die von damals.» Er zeigte auf das riesige Bett. «Alles Neorenaissance. Sehen Sie die gedrechselten Bettpfosten? Das Kopfende ist drei Meter hoch, Walnuss massiv. Beachten Sie die Maserung!» Er zeigte auf die Frisierkommode, die mit einer Marmorplatte abgedeckt war. «Und da, die abgerundeten Kanten!» Er zeigte auf den hohen Spiegel. «Auch der Waschtisch ist noch original. Die Möbel stammen alle aus der Werkstatt von Berkey und Gay in Grand Rapids. Auch der Tisch da. Woher der Ledersessel stammt, weiß ich allerdings nicht. Marchents Vater hat ihn geliebt. Hat jeden Morgen sein Frühstück darin zu sich genommen und seine Zeitungen gelesen. Jemand musste sie extra für ihn holen, weil es niemanden gab, der sie hierher liefern wollte. Was Sie vor sich haben, sind echte amerikanische Antiquitäten. Das passt zu einem Haus wie diesem. Später hat Felix dann die europäischen Antiquitäten für die Bibliothek und die Diele unten angeschafft. Er hatte es mehr mit der Renaissance.»
    «Das sieht man», sagte Reuben.
    «Wir haben dieses Zimmer extra für Sie hergerichtet, mit den besten Laken und so weiter. Alles, was Sie sonst noch brauchen, finden Sie im Badezimmer. Die Blumen auf dem Tisch sind übrigens aus meinem Garten.»
    Reuben bedankte sich gerührt. «Bestimmt ziehe ich irgendwann hierher um», sagte er. «Es scheint wirklich das schönste Zimmer im ganzen Haus zu sein.»
    «Außerdem haben Sie hier den besten Blick aufs Meer», sagte Galton. «Marchent hat dieses Zimmer allerdings nie benutzt. Für sie war es immer das Elternschlafzimmer. Ihr Zimmer liegt ein Stück den Gang runter.»
    Reuben musste an Mrs. Danvers aus
Rebecca
denken und spürte wieder dieses wohlige Schaudern, das ihn neuerdings öfter überkam.
Mein Haus
, dachte er.
Mein Haus.
    Er wünschte so sehr, dass Phil es bald sah, aber noch konnte er ihn nicht

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