Das Geschenk der Wölfe
wieder an zu singen, dieselbe Strophe und mit derselben tiefen, klaren Stimme wie zuvor, dieses Mal aber ruhiger und langsamer. Dabei bewegte er sich vorsichtig auf die Frau zu, bis er direkt im Lichtkegel der Laterne stand.
Die Frau rührte sich nicht. Sie schien neugierig und vollkommen fasziniert zu sein.
Reuben ging immer näher, bis er am Fuße der Veranda stand.
Tatsächlich hatte die Frau weißgraues Haar. Das war erstaunlich, denn ihr Gesicht war so glatt wie Porzellan. Ihre Augen waren eisblau. Von nahem war zu sehen, dass sie wirklich fasziniert war, denn sie konnte den Blick nicht von Reuben abwenden.
Was aber sah sie da? Sah sie, dass er sie mit der gleichen Neugier und Faszination musterte?
Tief in seinem Inneren erwachte ein Verlangen, dessen Unbedingtheit ihn überraschte. Sein Glied versteifte sich. Konnte sie es sehen? Konnte sie sehen, dass er nackt war und seine Lust nicht verbergen konnte? Dass sie sich sogar sekündlich steigerte, ihn stärkte und erdreistete?
Ein Verlangen wie dieses hatte er bislang nicht gekannt.
Er ging die Stufen zur Veranda hinauf. Als er oben war, überragte er die Frau, und sie wich zurück. Doch nicht vor Angst. Im Gegenteil. Er schien ihr willkommen zu sein.
Woher kam diese bemerkenswerte Furchtlosigkeit? Warum wirkte sie so heiter, als sie ihm in die Augen blickte? Sie war etwa dreißig, vielleicht etwas jünger. Eine zarte Person mit vollem, sinnlichem Mund und schmalen, aber starken Schultern.
Langsam streckte er eine Vorderpfote nach ihr aus. Langsam genug, um ihr Zeit zur Flucht zu geben. Aber sie rührte sich nicht. Er nahm ihr die Laterne aus der Hand und stellte sie auf die Holzbank vor der Hauswand. Die Tür war nur angelehnt. Dahinter brannte ein sehr schwaches Licht.
Reuben begehrte diese Frau so sehr, dass er ihr am liebsten das Nachthemd vom Leib gerissen hätte.
Ganz vorsichtig griff er nach ihr und umarmte sie. Das Herz klopfte ihm bis zum Hals. Sein Verlangen nach ihr war genauso stark und unbezwingbar wie vorher sein Drang zu töten und die Gier nach blutigem Fleisch. Wilde Tiere kannten keine Zurückhaltung. Was sie wollten, holten sie sich sofort und auf der Stelle.
Im Schein der Laterne sah ihre Haut weiß und zart und wunderschön aus. Sie öffnete die Lippen und stieß überrascht einen leisen Ton aus. Vorsichtig näherte Reuben sich ihren Lippen mit der Pfote.
Dann hob er sie hoch und nahm ihre Beine auf sein linkes Vorderbein. Sie war federleicht, legte einen Arm um seinen Hals und fuhr mit den Fingern in sein Fell.
Mit diesen einfachen Gesten steigerte sie seine Lust, und ihm entfuhr ein leises Stöhnen.
Er musste sie haben, wenn sie es zuließ. Und ganz offensichtlich ließ sie es zu.
Er trug sie zur Tür, stieß sie auf und trug sie ins warme Haus.
Der Geruch von gepflegter Häuslichkeit schlug ihm entgegen – ein polierter Fußboden, parfümierte Seife, Kerzen, etwas Weihrauch, ein Feuer. Und dann der süße Duft, den die Frau selbst verströmte. O Fleisch, o gesegnetes Fleisch! Wieder stöhnte Reuben vor Lust auf. Aber konnte sie sein Stöhnen deuten? Wusste sie, dass es nicht gefährlich war, sondern pure Lust ausdrückte?
In einem Herdfeuer war noch Glut. Das Display einer Digitaluhr leuchtete schwach.
Gleich darauf befanden sie sich im Schlafzimmer. An der Wand stand ein antikes Bett mit einem Kopfteil aus goldbemaltem Eichenholz. Die weißen Laken und Kissen sahen aus, als seien sie weich wie Schaum.
Die Frau hielt sich an ihm fest. Durch das dichte Fell konnte er ihre Finger zuerst kaum spüren, doch dann leitete jedes Haar die Berührung bis in die Wurzel. Als Nächstes berührte die Frau seinen lippenlosen Mund, den schmalen Streifen schwarzen Fleisches. Sie berührte seine Zähne. Erkannte sie, dass er sie anlächelte? Sie packte fester in seine Mähne.
Er küsste sie auf Kopf und Stirn. Hmmm! Ihre Haut war wie Satin. Dann küsste er sie auf die Augen, die sie bereitwillig schloss.
Ihre Augenlider waren wie Seide. Ein Wesen aus Seide und Satin, ohne Fell, duftend, blütenweich.
Wie nackt und verletzlich sie wirkte! Bitte, Liebste, überleg es dir jetzt nicht anders!
Zusammen sanken sie aufs Bett, aber um ihr nicht weh zu tun, passte er auf, dass sie nicht sein volles Gewicht zu spüren bekam. Er schmiegte sich eng an sie, hielt sie fest und strich ihr das Haar aus der Stirn. Weiß und grau mit viel weichem Flaum.
Er beugte sich vor, um sie auf den Mund zu küssen, und sie öffnete die Lippen. Er atmete in
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