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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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und dann die goldenen Kerzenständer raubte. Er fragte sich, wie oft Jim wohl nachts aus dem Bett geholt wurde und warum er sich ein Leben ausgesucht hatte, das nur aus Opfern und anstrengender Arbeit bestand. Dazu gehörte, dass er jeden Tag Suppe und Fleisch an Leute austeilte, die ihn oft genug hintergingen, sowie die tägliche Morgenandacht, bei der so getan wurde, als seien die Oblaten und der Wein tatsächlich «der Leib und das Blut Christi».
    St. Francis war eine der prachtvollsten Kirchen der Stadt, erbaut lange bevor Tenderloin zum bekanntesten Problemviertel von San Francisco wurde. Sie war groß, die Kirchenbänke waren mit kunstvollen Schnitzereien versehen, und an den Wänden prangten üppige Goldmalereien. Auch die drei romanischen Rundbögen über dem Altar waren reich bemalt, genau wie die Seitenaltäre für den heiligen Joseph und die Jungfrau Maria. Im hinteren Teil des Kirchenschiffs standen alte holzgeschnitzte Beichtstühle. Es waren dreiteilige Häuschen mit Kabinen für die reuigen Sünder zur Rechten und Linken und dem Sitz des Priesters in der Mitte, abgeteilt durch hölzerne Gitterpaneele.
    Es war jedoch nicht unbedingt nötig, diese Kabinen aufzusuchen, wenn man beichten wollte. Genauso gut konnte man seine Beichte auf einer Parkbank, in einem ganz gewöhnlichen Zimmer oder sonst wo ablegen. Reuben wusste das sehr wohl. Aber was er jetzt brauchte, war ein hochoffizieller Akt, der zugleich höchster Geheimhaltung bedurfte. So wollte Reuben es haben, und so hatte er es arrangiert.
    Er folgte Jim zu den Beichtstühlen. Schon länger benutzte Jim nur noch einen, den vordersten. Reuben wartete geduldig vor dem Beichtstuhl, während Jim die kleine Seidenstola hervorholte und sich über die Schultern legte. Reuben wusste, dass dem Sünder damit signalisiert wurde, nun sei der Priester bereit, das Beichtsakrament zu spenden.
    Erst dann nahm Reuben die Sonnenbrille ab und lockerte den Schal, sodass sein Gesicht zu sehen war.
    Jim sah nur flüchtig zu ihm hinüber, als er ihn mit einer Handbewegung aufforderte, in die Beichtkabine zu gehen. Doch dieser flüchtige Blick genügte.
    Jim sah den Tierkopf, der seine eigene Körpergröße überragte. Erschrocken riss er den Mund auf, schnappte nach Luft und taumelte an den Beichtstuhl. Dabei hob er die rechte Hand und bekreuzigte sich. Dann schloss er die Augen, und als er sie wieder öffnete, wirkte er entschlossen, es mit der Bestie aufzunehmen.
    «Die Beichte», sagte Reuben und öffnete die Tür der Kabine. Dann signalisierte er Jim mit der Pfote, dass er in seinem Teil des Beichtstuhls Platz nehmen solle.
    Jim brauchte einen Moment, um sich von dem Schreck zu erholen.
    Für Reuben war es beklemmend, ihn unter diesen Umständen zu sehen, zumal Jim nicht wusste, dass das Monster, das ihm gegenübersaß, sein Bruder war. Wann kam es denn auch vor, dass man einem Bruder gegenübersaß, der einen wie einen Wildfremden ansah?
    Jetzt wusste er mehr über seinen Bruder, als er bei ihrem alltäglichen Kontakt je erfahren hätte, nämlich dass er mutiger und pflichtbewusster war, als Reuben erwartet hatte, und trotz seiner Angst die Ruhe bewahren konnte.
    Reuben ging in die Beichtkabine und zog den Samtvorhang hinter sich zu. Es war eng dadrinnen – ein Raum für normal proportionierte Männer und Frauen. Er kniete sich auf die gepolsterte Holzleiste, die ohnehin dafür vorgesehen war, und wandte sich dem Gitter zu, hinter dem Jim gerade die Hand hob, um den Beichtenden zu segnen.
    «Ich habe gesündigt, Pater», sagte Reuben. «Was ich jetzt sagen werde, muss ein Beichtgeheimnis bleiben.»
    «Natürlich», sagte Jim. «Sind deine Absichten aufrichtig?»
    «Vollkommen. Ich bin dein Bruder, Reuben.»
    Jim sagte nichts.
    «Ich habe den Vergewaltiger in North Beach und die Männer im Golden Gate Park getötet. Ich habe auch die Frau am Buena Vista Hill erschlagen, die das alte Ehepaar gefoltert hatte. Und dann habe ich die Kidnapper von Marin County getötet, als ich die Kinder befreite. Leider kam ich zu spät, um alle zu retten. Zwei waren schon tot. Ein weiteres Mädchen, das zuckerkrank war, ist heute Morgen gestorben.»
    Schweigen.
    «Ich bin wirklich dein Bruder», sagte Reuben. «Alles hat mit dem Überfall in Mendocino angefangen. Ich weiß nicht, was für eine Kreatur mich da angefallen hat. Ich weiß auch nicht, ob sie es war, die mir diese Kraft verliehen hat. Aber ich weiß, was für eine Kreatur ich jetzt bin.»
    Wieder nur Schweigen. Jim schien

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