Das Geschenk der Wölfe
Spielregeln halten? Aber selbst wenn es keine DNA aus früheren Zeiten von dir gibt, muss dir klar sein, dass sie Marchent Nideck obduziert haben.» Jim regte sich immer mehr auf.
«Ich weiß», sagte Reuben.
«Und Mom sagt, dass sie bei ihr angerufen und um Gegenstände gebeten haben, mit deren Hilfe deine DNA bestimmt werden kann. Mom hat sich aber geweigert, und dieser Arzt aus Paris bestärkt sie darin, alle weiteren Untersuchungen zu boykottieren.»
«Bitte beruhige dich, Jim! Ich kann dir schon nicht mehr folgen. Du hättest in Moms Fußstapfen treten und auch Arzt werden sollen.»
Jim sagte nichts.
«Ich muss jetzt gehen», sagte Reuben.
«Nein, nicht so schnell! Wo willst du denn hin?»
«Ich muss ein paar Sachen klären, vor allem, wie ich die Verwandlung steuern und vielleicht sogar verhindern kann.»
«Dann hat es also nichts mit dem Mond zu tun?»
«Es ist keine Magie, Jim. Und nein, es hat nichts mit dem Mond zu tun. Das ist ein frommes Märchen. Tatsächlich ähnelt es eher einem Virus. Jedenfalls kommt es mir so vor. Mein Blick auf die Welt hat sich verändert, Jim, mein moralischer Kompass. Ich weiß zwar noch nicht, was ich von alledem halten soll, aber Magie ist es nicht.»
«Aber wenn es nicht von einer höheren Macht kontrolliert wird, sondern eine Art Virus ist, warum tötest du dann nur böse Menschen?»
«Das habe ich doch schon erklärt! Ich folge dem, was ich rieche und höre.» Ein kalter Schauer lief Reuben über den Rücken, als er das sagte, und er fragte sich zum wiederholten Mal, was es zu bedeuten hatte.
«Seit wann hat das Böse denn einen bestimmten Geruch?», fragte Jim.
«Weiß ich nicht», sagte Reuben. «Aber wir wissen ja auch nicht, warum Hunde Angst riechen können.»
«Hunde reagieren auf kleinste körperliche Signale. Sie können Schweiß riechen, vielleicht sogar Hormone wie Adrenalin. Willst du etwa behaupten, das Böse hätte hormonelle Aspekte?»
«Vielleicht», sagte Reuben. «Aggression, Feindseligkeit … vielleicht haben all diese Dinge einen bestimmten Geruch, den Menschen nicht wahrnehmen können. Wir wissen es nicht. Oder weißt du etwas darüber?»
Jim antwortete nicht.
«Was ist?», fragte Reuben. «Wäre es dir lieber, wenn es etwas Übernatürliches ist? Etwas Teuflisches?»
«Wann hast du mich je sagen gehört, etwas sei vom Teufel?», fragte Jim zurück. «Abgesehen davon rettest du die unschuldigen Opfer. Seit wann hat der Teufel Mitleid mit unschuldigen Opfern?»
Reuben seufzte. Ihm schwirrte der Kopf, und er konnte nicht annähernd in Worte fassen, was ihn bewegte. Er konnte nicht erklären, wie sich sein Denken verändert hatte, und zwar auch, wenn er sich nicht verwandelte. Außerdem war er sich nicht sicher, was er Jim überhaupt erklären wollte.
«Eins steht jedenfalls fest», sagte er. «Solange die Verwandlung ohne Vorwarnung über mich kommt und ich nicht weiß, wann und wie es geschieht, bin ich äußerst verletzlich. Leider bin ich der Einzige, der das Geheimnis lüften kann. Und leider hast du verdammt recht, dass sie meine DNA von Marchent haben, wenn nicht noch sonst woher. Mit der DNA haben sie Zugriff auf mich, und deswegen muss ich jetzt los.»
«Wohin denn?»
«Nach Kap Nideck. Hör mal, Pater Jim, du kannst mich dort jederzeit besuchen, und wir können in Ruhe darüber reden, wenn dir danach ist. Aber du darfst mit niemandem sonst reden.»
«Ist gut», sagte Jim. «Erlaubst du mir wenigstens, Nachforschungen anzustellen?»
Reuben verstand. Ein Priester durfte nicht nur mit niemandem über die Beichte sprechen, sondern auch sonst nichts unternehmen.
«Apropos Forschung», sagte Reuben. «Ich war heute schon zu Hause und habe mir ein paar Bücher abgeholt. Legenden, Geschichten, Gedichte, solche Sachen. Aber ich weiß, dass es in Amerika Vorfälle gab … Menschen haben Dinge beobachtet …»
«Ich weiß», sagte Jim. «Mom hat so etwas erwähnt. Auch dieser Dr. Jaska. Irgendwas über die Bestie von der Bray Road.»
«Ach, das. Da will jemand in Wisconsin eine merkwürdige Kreatur gesehen haben, einen Bigfoot oder so etwas. Die Sache ist völlig unklar und nicht besonders gut dokumentiert. Aber ich bin selbst auf ein paar Dinge gestoßen, die Licht in diese Sache bringen könnten. Der Name Nideck taucht in merkwürdigen Zusammenhängen auf, und ich versuche noch dahinterzukommen, was das zu bedeuten hat. Noch habe ich aber nichts in der Hand. Aber ja, natürlich darfst du eigene Nachforschungen
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