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Das Geschenk der Wölfe

Das Geschenk der Wölfe

Titel: Das Geschenk der Wölfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Reuben hörte ihr Herz klopfen. Dann entspannten sich ihre Züge, und Tränen stiegen ihr in die Augen.
    «Großer Gott», flüsterte sie und sah auf seine Hand, die immer noch auf ihrer lag. Dann hob sie den Blick und sah ihm ins Gesicht. Sie musterte ihn aufmerksam und stammelte: «Aber wer …? Wie …?»
    «Ich weiß es nicht», sagte er ehrlich. «Ich weiß nur, dass ich hier verschwinden muss. Ich gehe in den Norden zurück. Das Haus in Mendocino gehört jetzt mir, das Haus, in dem alles anfing. Dahin muss ich zurück. Hier kann ich nicht bleiben, nicht nach der letzten Nacht. Kommst du mit?»
    Er hatte es ausgesprochen. Aber er erwartete nichts. Oder besser: Er erwartete, dass sie ihn abwies, ihre Hand zurückzog und irgendwo außerhalb seiner Reichweite hinlegte. Sie musste erst einmal verdauen, dass die wilde Kreatur, die sie liebte, gar keine wilde Kreatur war.
    «Ich weiß ja, dass du deine Arbeit hast, deine Naturführungen, deine Kunden …», begann Reuben.
    Aber sie unterbrach ihn. «Es ist Regenzeit», sagte sie leise. «Zurzeit gibt es keine Führungen. Eigentlich habe ich gar nichts zu tun.»
    Ihre Augen waren ganz glasig. Noch einmal atmete sie tief durch. Dann umklammerte sie seine Hand.
    «Oh …», sagte er so überrascht, dass es dümmlich klang. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Schließlich fragte er: «Du kommst also mit?»
    Es war unerträglich, auf ihre Antwort zu warten.
    «Ja», sagte sie schließlich und nickte. «Ich komme mit.» Sie sah ihn entschlossen an, wirkte aber immer noch wie benommen.
    «Ist dir klar, was das bedeutet?», fragte er.
    «Egal. Ich komme mit», sagte sie.
    Reuben kämpfte mit den Tränen. Er hielt ihre Hand und sah aus dem Fenster auf die verregnete Throckmorton Street, wo die Menschen vor den kleinen Läden mit Regenschirmen hin und her eilten.
    «Reuben», sagte Laura und drückte ihm die Hand. Sie hatte sich von dem Schreck erholt und wurde ganz ernst. «Lass uns keine Zeit verlieren.»
    Als er den Porsche auf den Panoramic Highway lenkte, musste sie lachen. Sie konnte gar nicht wieder aufhören. Eine ungeheure Anspannung schien sich zu entladen.
    Reuben sah sie fragend an. «Was gibt’s da zu lachen?»
    «Du musst zugeben, dass es nicht unkomisch ist», sagte sie. «Sieh dich doch nur an!»
    Reuben war wie vor den Kopf gestoßen.
    Plötzlich hörte sie auf zu lachen. «Tut mir leid», sagte sie mit ehrlichem Bedauern. «Ich hätte nicht lachen sollen. Aber … wie soll ich sagen? Du bist einer der bestaussehenden Männer, die ich kenne.»
    «Oh», sagte er verblüfft. Er konnte sie nicht ansehen. Wenigstens hatte sie ihn nicht Sonnyboy genannt. «Ist das gut oder schlecht?»
    «Fragst du das im Ernst?»
    Er zuckte mit den Schultern.
    «Es ist nur sehr überraschend», sagte sie. «Tut mir wirklich leid, dass ich gelacht habe, Reuben.»
    «Schon gut. Ist nicht so wichtig.»
    Sie erreichten die Schottereinfahrt zu Lauras Haus. Reuben beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Sie schien immer noch ein schlechtes Gewissen zu haben. Er grinste und versicherte ihr, dass alles in Ordnung sei. Augenblicklich hellte sich ihre Miene auf.
    «Es ist wie im
Froschkönig
», sagte sie. «Bloß ohne Frosch.»
    «Nein», sagte Reuben. «Das hier ist eine andere Geschichte, eher die von
Dr. Jekyll und Mr. Hyde

    «Nein, überhaupt nicht», widersprach Laura. «Auch nicht
Die Schöne und das Biest
. Es ist eine ganz neue Geschichte.»
    «Stimmt», sagte er. «Es sei denn, der nächste Satz lautet:
Verschwinde aus Dodge, diese Stadt ist zu klein für uns beide!
»
    Laura beugte sich vor und küsste ihn – ihn, nicht den fellbedeckten Wolfsmenschen.
    Er nahm ihr Gesicht in die Hände und küsste sie zärtlich. Es fühlte sich ganz anders an als in Wolfsgestalt, und er genoss es in vollen Zügen.

[zur Inhaltsübersicht]
    18
    L aura brauchte keine Viertelstunde, um zu packen, einen Nachbarn anzurufen, der ihren Wagen aus der Stadt abholen und während ihrer Abwesenheit ein Auge auf ihr Haus haben würde.
    Die Fahrt nach Kap Nideck dauerte wegen des Regens wieder fast vier Stunden.
    Unterwegs redeten sie nonstop.
    Reuben erzählte ihr alles, was in letzter Zeit geschehen war, von Anfang an und in allen Einzelheiten.
    Er erzählte ihr auch, wer er vorher gewesen war, und sprach von seiner Familie, Celeste, Jim und vielen anderen Dingen. Ohne ins Stocken zu geraten, ließ er alles aus sich heraussprudeln, ohne nachzudenken und ohne Zusammenhänge herzustellen. Laura

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