Das Geschenk des Osiris
ungefähr zwei bis drei Tagen auf die beiden anderen Divisionen treffen. Zudem bekämen unsere Männer etwas Ruhe, denn die Libyer werden erst zwei Tage später eintreffen.«
Ramses dachte kurz nach. Der Vorschlag des Generals war nicht abwegig, vorausgesetzt, die Libyer würden auch so handeln, wie er es sich dachte.
»Ist der Feind über unseren Truppenvormarsch im Süden informiert?«, wollte er wissen, und der Oberst schüttelte verneinend den Kopf.
»Soweit mir bekannt ist, sind sie es nicht, Majestät. Ich habe zwei mir treu ergebene Libyer in das feindliche Heer einschmuggeln können. Ihre Nachrichten besagen, dass die Stammesführer keine Ahnung haben, was auf sie zukommt. Sie wissen nur von den beiden nördlichen Divisionen und glauben, dass sie mit ihnen schnell fertig werden.«
»Und wenn die Nachrichten falsch sind?«, fragte Prinz Prehi, ein Halbbruder des Königs, besorgt. »Wieso sollte den Libyern entgangen sein, dass sich zehntausend ägyptische Fußsoldaten, zweitausend Söldner und weitere eintausend Streitwagen von Süden her nähern?«
»Weil wir vorsorglich alle verfügbaren Kräfte mobilisiert haben, um ein undurchdringliches Netz südwestlich von Siwa zu schaffen«, beantwortete der Stadthalter der Oase die Frage des Prinzen. »Keinem feindlichen Kundschafter kann es gelungen sein, es zu durchdringen, ohne von meinen Soldaten gefangen genommen zu werden.«
»Hoffen wir, dass der Feind tatsächlich so ahnungslos ist, wie ihr es mir hier schildert«, meinte Ramses besorgt. »Wie viele Mann umfassen die libyschen Banden?«
»Elftausend, Majestät«, erwiderte der Oberste Kundschafter. »Es sind mehrere libysche Stammesfürsten, die sich vereinigt haben, und Bewohner von den Inseln des Großen Grün, die in Libyen sesshaft geworden sind und nun nach den Reichtümern des Schwarzen Landes lechzen. Das Beste ist, dass sie sich nicht einigen können, wer den Oberbefehl innehat. Nun nehmen alle dieses Recht für sich in Anspruch.«
»Das wiederum könnte zu Unstimmigkeiten in der Führung beitragen«, merkte Prinz Prehi an, dem das Regiment des Gottes Ptah unterstand. »Ihre eifersüchtigen Zänkereien werden unseren Sieg einfacher gestalten.«
Zustimmung heischend wanderte sein Blick von einem zum anderen und blieb schließlich an seinem Bruder haften. Dieser richtete als Erstes das Wort an den General der Division Re.
»Mache deine Männer abmarschbereit! Bei Einbruch der Dunkelheit ziehen wir uns in die Wüste zurück und marschieren unseren beiden Truppenverbänden entgegen.« Er blickte in die Runde und fuhr fort: »Prehi, du bleibst mit der Division des Ptah in Siwa und wirst die Oase beschützen, falls der Feind nicht so reagiert, wie wir das wollen. Der Ring um Siwa wird gelockert, sodass die feindlichen Späher durchkommen und sehen können, dass wir den Rückzug in die westliche Wüste antreten. Sie müssen das ihren Anführern berichten, damit diese glauben, wir stellen uns dort zum Gefecht. Wenn sie auf unsere Kriegslist hereingefallen sind und die Marschrichtung ändern, um uns zu folgen, wirst du, Prehi, dich mit deinen Kriegern in Bewegung setzen und dem Feind in die Flanke fallen.«
Diese Vorgehensweise fand bei Ramses ’ Beratern volle Zustimmung. Sie lobpreisten ihren König für seine Weitsicht und zogen sich zurück, um alles für den Aufbruch bereitzumachen.
Ramses hingegen wandte sich an das Orakel des Amun, das in der Wüstenoase Siwa seine Heimstatt hatte. Er befragte es, ob es ihm gelingen würde, die Bedrohung durch die Libyer von den Beiden Ländern abzuwehren, und Amun bejahte, ohne zu zögern. Er sagte Ramses einen großen Sieg voraus und prophezeite ihm eine lange und segensreiche Herrschaft über das von den Göttern geliebte Land.
Mit dieser zufriedenstellenden Antwort begab sich Ramses zurück in sein Quartier, bis es Zeit wurde, aufzubrechen.
Nachdem die Sonnenbarke in die Unterwelt eingetaucht war, machten sich die Krieger, die unter dem Schutz des Gottes Re kämpften, auf den Weg Richtung Süden, um drei Tage später inmitten der kargen Landschaft ihr Lager aufzuschlagen. Ramses sandte umgehend Boten los, die den Divisionen Amun und Seth seinen Befehl überbringen sollten, ihre Lagerplätze einen knappen halben Tagesmarsch von dem des Re-Regimentes aufzuschlagen.
Das war eine weitere List, die der Pharao sich hatte einfallen lassen, um die Invasoren in die Irre zu führen. Die feindlichen Späher mussten die Gewissheit erlangen, dass der mächtige
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