Das Geschenk des Osiris
kann, da mir, zugegeben, das medizinische Wissen fehlt. Jeder dieser Teile ist für ganz bestimmte Dinge zuständig. Sie ermöglichen uns, dass wir uns bewegen können, dass wir denken und sprechen, uns erinnern, dass all unsere Körperfunktionen aufrechterhalten werden. Du musst dir das wie die einzelnen Ministerien des Königreiches vorstellen, die alle eine besondere Aufgabe erfüllen und nur zusammen das Funktionieren des Landes ermöglichen. Durch den Schlag auf deinen Kopf ist nun in einigen Ministerien etwas durcheinandergeraten. Es ist so, als sei ein Blitz des Großen Gottes Seth in ihre Amtsräume eingeschlagen und hätte ein heilloses Durcheinander angerichtet. Die Vorsteher dieser Ämter sind völlig kopflos, und nichts klappt mehr so richtig. Nun muss diesen hohen Beamten der Befehl erteilt werden, wieder Ordnung in das Durcheinander zu bringen, und dabei werde ich versuchen, dir zu helfen.« Sie lächelte den noch immer verständnislos dreinblickenden Amunhotep freundlich an. »Ich weiß nicht, ob es klappen wird, Herr. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf. Du musst mir jedoch dabei helfen, und vielleicht haben wir zusammen Erfolg. Nun muss ich aber melden, dass du wach geworden bist, ansonsten bekomme ich Ärger.«
Satra stand auf und eilte zur Tür, um Ipuki über das Erwachen ihres Gebieters zu informieren.
Völlig benommen blieb Amunhotep zurück und versuchte, das soeben Gehörte zu verarbeiten. Es war nicht leicht. Sein Kopf schmerzte immer stärker, je mehr er versuchte, das wundersame Gerede seiner Dienerin zu verstehen. Er fühlte sich schwach und schloss die Augen, um zu schlafen und der Pein zu entfliehen.
FÜNFUNDZWANZIG
Zwei Wochen nach Beendigung des Festes von Opet, bei dem der Gott Amun seine Gemahlin Mut in ihrem Tempel in Opet-resut besucht hatte, verließ der Pharao Theben in Richtung Norden, um seine Reise durch das von den Göttern geliebte Land Kemi anzutreten.
Wie bei den meisten seiner Reisen, nahm er auch dieses Mal die königliche Familie und einige Höflinge und Priester mit, um sich seinem Volk zu zeigen und den Göttern in ihren Tempeln flussauf- und flussabwärts zu huldigen und ihnen Opfer darzubringen.
Es war Anfang Choiak, der vierte Monat der Überschwemmungszeit. Der Nil war im Sinken begriffen und hinterließ einen dunklen Teppich aus fruchtbarem Schlamm. Fleißige Bauern begannen sofort mit der Bestellung der Felder, denn schon wenige Tage später würde die durchfeuchtete Erde hart und schwer zu bearbeiten sein. Sie lockerten den Boden auf und streuten Saatgut aus, das sie in Taschen aus geflochtenem Schilfrohr um die Schultern trugen. Anschließend trieben sie Ochsen über die bestellten Felder, die das Saatgut in das feuchte Erdreich trampelten, und schon begann die Bestellung an anderer Stelle von neuem.
Erstes Ziel der königlichen Flotte war der Tempel der Göttin Hathor in Dendera. Als die Barken die Flussbiegung passierten, wo der Thronfolger seinen schrecklichen Tod erlitten hatte, verharrten alle in stiller Trauer. Selbst die Vögel schienen zu schweigen, auch der Wind hatte sich gelegt. Die Große Königliche Gemahlin Isis nahm einen Strauß Lotosblumen und warf ihn hinaus auf den Fluss. Dann schmiegte sie sich an den Körper ihres Gemahls und versuchte, die Tränen zu unterdrücken, die ihr in die Augen treten wollten.
Nachdem sie in Dendera für zwei Tage Rast gemacht hatten, fuhr der Konvoi weiter und erreichte am Abend die altehrwürdige und heilige Stadt Abydos, wo der Kopf des Großen Gottes Osiris begraben war.
Ramses hatte für dieses Ziel mehr Zeit eingeplant. Er wollte nicht nur dem Gott seine Aufwartung machen. In Abydos waren die Pharaonen der ersten Dynastien bestattet, und es gab dort die Heiligtümer vieler Herrscher, die vor ihm auf dem Horusthron gesessen hatten. Zudem gedachte er, die Tempel von Osiris Sethos I. und dessen Sohn, Osiris Ramses II., aufzusuchen, um seinen ruhmreichen Vorfahren ein Opfer zu bringen. Er wollte aber auch den Fortgang der Arbeiten am Heiligtum seines Vaters in Augenschein nehmen und den Grundstein für seinen eigenen Tempel legen.
Bei dem Gedanken an das Heiligtum seines zu Osiris gegangenen Vaters begann sein Zorn aufzulodern. Der Große Horus hatte den Grundstein für diese wahrlich kleine Kapelle bereits vor drei Jahren gelegt, und noch immer war sie nicht fertiggestellt.
Ramses kochte innerlich vor Wut, doch schon bald hatte er sich wieder unter Kontrolle.
Als die
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