Das Geschenk des Osiris
dass Senbi die Schmach, die er ihm im Hafen zugefügt hatte, nicht so einfach hinnehmen würde. Sicher sann er bereits auf Rache. Um von ihr nicht unvorbereitet überrascht zu werden, hatte sich der Syrer ganz diskret in Senbis Umfeld umgesehen und war dabei auf Amunmose, den schmerbäuchigen Hausverweser gestoßen.
Amunmose war ein Mann des Schwarzen Landes und schien neben zwei syrischen Gehilfen und Senbis Soldaten einer der wenigen Bediensteten zu sein, die das Anwesen unbehelligt verlassen durften.
Die beiden Gehilfen und die Soldaten schieden aus. Sie wirkten rau und brutal, sodass sich Ibiranu nicht sicher war, ob sie ihren Herrn verraten würden. Amunmose hingegen schien leicht einzuschüchtern zu sein. Zudem ließ eine gute Bezahlung so manches Herz wankelmütig werden.
Als Amunmose an diesem Abend in ein kleines verstecktes Bierhaus ging, um einen Krug zu trinken und sich anschließend mit einem der Mädchen zu vergnügen, folgte Ibiranu ihm und setzte sich unaufgefordert zu ihm an den Tisch.
Argwöhnisch musterte Amunmose ihn. »Kann ich etwas für dich tun?«
»O ja, das denke ich schon.« Ohne lange herumzureden, kam der Syrer sofort zur Sache. Er schob Amunmose einen prall gefüllten Lederbeutel zu, bei dessen Anblick die dick mit Kohol umrandeten Augen des Hausverwesers fast aus ihren Höhlen quollen.
Ibiranu schmunzelte verstohlen. Er hatte sich also nicht getäuscht – Senbis Haushofmeister war käuflich. Er wusste noch nicht einmal, was sich in dem Beutel befand, geschweige, was er dafür tun sollte, dennoch gierte er bereits nach seinem Inhalt!
»Was ist das?«, fragte Amunmose, und der Syrer bedeutet ihm wortlos, doch einmal nachzusehen. Nachdem Amunmose einen Blick in das Säckchen geworfen hatte, war er einer Ohnmacht nahe. »Wer bist du, und was willst du von mir?«, brachte er mühevoll heraus.
»Nur ein paar Auskünfte über deinen Herrn.«
»Über meinen Herrn?« Amunmose schluckte hörbar. Das blanke Entsetzen stand ihm mit einem Mal ins Gesicht geschrieben. Er schnürte den Beutel wieder zu und schob ihn über den Tisch zurück. »Behalte ihn. Ich will ihn nicht.« Er wollte sich erheben, aber Ibiranu hielt ihn derb am Handgelenk fest.
»Setz dich wieder!«, zischte er ihm zu, und gehorsam nahm der Schmerbäuchige ihm gegenüber wieder Platz. »Entlohnt dich dein Gebieter so gut, dass du nichts mehr brauchst, oder bist du ihm tatsächlich so treu ergeben, wie du mir weismachen willst?«
Amunmose sackte förmlich in sich zusammen, spielte aber weiterhin den Verschlossenen, so wie es sich für einen guten Diener gehört.
Ibiranu konnte er damit jedoch nicht täuschen. Der Syrer hatte vielmehr den Eindruck, dass Amunmose eher völlig eingeschüchtert als verschwiegen war. Also lud er ihn leutselig ein, mit ihm einen weiteren Krug Bier zu trinken, was der Haushofmeister nach einigem Zögern tat.
»Du hast vor Senbi Angst!«, sagte Ibiranu ihm auf den Kopf zu, und Amunmose nickte beschämt und senkte seinen Blick in sein Bier. »Das kann ich verstehen. Senbi ist ein hochfahrender, eingebildeter kemitischer Hund.« Ibiranu unterbrach sich selbst, weil Amunmose zu ihm aufblickte und empört die Luft einsog. »Nein, mein Freund, verstehe das nicht falsch«, beschwichtigte Ibiranu ihn sofort und hob entschuldigend die Hände. »Senbi ist syrischer Abstammung. Dennoch steht er nicht dazu, sondern versteckt sich hinter einem kemitischen Namen und glaubt, damit sei er dir, einem eingeborenen Mann des Schwarzen Landes, ebenbürtig.«
Unauffällig schielte Ibiranu bei diesen Worten zu Amunmose und stellte befriedigt fest, dass er den richtigen Ton getroffen hatte. In den Fremdländern war allgemein bekannt, dass sich die Kemiter für etwas Besseres hielten und nur Verachtung für all jene übrig hatten, welche außerhalb der Beiden Länder geboren waren.
»Es stimmt doch, was ich sage?«, hakte er Zustimmung heischend nach. »Also lass uns auf dein wunderschönes Land trinken, in dem der Pharao über uns alle wacht.« Er hob seine Schale und trank sie in einem Zug aus.
»Leben, Heil und Gesundheit für Seine Majestät, dem von der Biene und dem von der Binse, Nebmaatre Meriamun Ramses!«, fügte der Haushofmeister feierlich hinzu und trank seine Schale ebenfalls bis zur Neige. Dann wischte er sich mit der Hand über den Mund und betrachtete nachdenklich den ledernen Beutel, der seinen Blick magisch anzog.
Warum sollte er es eigentlich nicht tun? Dort lag ein Vermögen. Der edle Herr
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