Das Geschenk des Osiris
Ipuwers Blick auf dem anderen Mann. »Du weißt genau, was ich von dir will. Also stelle dich nicht so unwissend!«
»Wenn du glaubst, dass du mich in deine schmutzigen Pläne, Vorsteher der Priesterschaft zu werden, mit hineinziehen kannst, liegst du falsch«, zischte Paheri aufgebracht. Er stand noch immer und hatte die Hände zu Fäusten geballt. »Ich lasse mich von dir nicht einschüchtern, Ipuwer. Du hast noch lange nicht das Format von Djefahapi.«
Er drehte sich um und wollte gehen, doch der Schatzmeister erwiderte ruhig: »Was glaubst du, wie viele Priester sich hier im Tempel schon gefragt haben, woher du die Mittel hast, um dir einen so schmucken Landsitz leisten zu können?«
Ruckartig blieb Paheri stehen und drehte sich Ipuwer wieder zu.
»Willst du etwa behaupten, dass ich in die schmutzigen Geschäfte von Djefahapi verwickelt war?«
»Nein, Paheri, denn dann hätte ich davon gewusst, und Nehi hätte es auch herausbekommen.« Ipuwer beugte sich etwas vor und raunte dem Heilkundigen etwas zu, was diesen schwindeln ließ.
Bestürzt blickte Paheri Ipuwer ins Gesicht, in welchem er nur ein boshaftes, heimtückisches Lächeln erkennen konnte.
»Das meinst du nicht im Ernst?«, hauchte er, und es zitterten ihm mit einem Mal die Knie.
»Doch, mein Freund, und ich habe auch einen vertrauenswürdigen Zeugen.«
Nur mit Mühe gelang es Paheri, den Stuhl zu erreichen und sich wieder zu setzen. Ihm war speiübel.
»Und was gedenkst du mit deinem Wissen zu tun? Gehst du zu Amunhotep oder schreibst du gleich wieder einen Brief an den Wesir?«
»Keine Angst«, versuchte Ipuwer seinen Gast zu beruhigen. »Wenn du mir hilfst, dieses arrogante Jüngelchen von seinem Stuhl zu stoßen, biete ich dir sogar meinen Posten als Schatzmeister an.«
Mit zitternden Händen griff Paheri nach dem Krug, war aber nicht imstande, sich eine Schale einzuschenken. Ipuwer nahm ihm den Krug ab und tat es für ihn. In einem Zug stürzte sich Paheri den Wein die Kehle hinunter. Dann gab er dem Schatzmeister einen Wink, ihm noch eine zweite Schale zu kredenzen.
»Was hast du vor?«, wollte er wissen, nachdem er sich wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte.
»Das wirst du zu gegebener Zeit erfahren. Ich will heute nur dein Wort, dass du mir helfen wirst!«
»Das hast du, Ipuwer.«
Befriedigt nahm der Schatzmeister seine Trinkschale und hielt sie dem Arzt entgegen »Auf unsere Zukunft, mein Freund!«
Genüsslich trank er den kühlen Wein.
Paheri war in der Zwischenzeit erneut aufgestanden, und erneut hielt Ipuwer ihn zurück.
»Ach, Paheri, und vergiss bitte nicht. Solltest du irgendjemand von unseren gemeinsamen Aufstiegsabsichten erzählen, werde ich mal wieder einen Brief an Nehi schreiben müssen. Also überlege dir gut, was du tust!«
Wütend drehte sich Paheri um und stapfte davon.
* * *
Ungefähr ein Monat war vergangen, seit Amunhotep die verurteilte Frau nach Abydos gebracht hatte. Ihre Prellungen und Wunden waren fast alle verheilt, nur die gebrochenen Rippen machten ihr noch zu schaffen, aber inzwischen war sie wieder auf den Beinen. Paheri hatte ihr erlaubt, sich in eine schattige Ecke des Gartens zurückziehen zu dürfen, der rundherum von den Laubengängen des Lebenshauses eingegrenzt wurde, und dankbar hatte Satra dieses Angebot angenommen.
Sie genoss diese unbeschwerten Stunden nach den langen Monaten der Gefangenschaft und der Gewalt, die man ihr im Haus des Kaufmanns angetan hatte. In ihrem Herzen wünschte sie, sie würden nie zu Ende gehen, aber ihr war bewusst, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sie wieder völlig genesen war und arbeiten musste. In den Morgen- und Abendstunden, wenn die Hitze nicht ganz so schlimm war, saß sie, mit dem Rücken an eine Dattelpalme gelehnt, und sah dem geschäftigen Treiben der Priester und Bediensteten zu. Manchmal hielt sie die Augen geschlossen und lauschte dem Zwitschern der Vögel und den leisen Stimmen der Gottesdiener.
Die Priester nahmen von ihr kaum Notiz. Zwei- oder dreimal hatte Satra jenen hochgewachsenen Mann gesehen, der hier im Tempel anscheinend etwas zu sagen hatte, denn die anderen verneigten sich ehrfürchtig vor ihm. Einmal hatte sie bemerkt, dass er stehen geblieben war, um zu ihr herüberzusehen, aber sie hatte getan, als habe sie es nicht bemerkt.
Es gab da noch einen anderen Priester, der älter war als der hochgewachsene. Satra nahm an, dass das der Oberpriester sein musste. Ihr war nicht entgangen, dass die
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