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Das Geschenk: Roman

Das Geschenk: Roman

Titel: Das Geschenk: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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der Geschlechter eingesetzte Äquivalent eines nuklearen Präventivschlags. Tom hielt es nicht nur für unfair, er hielt es für eine Missachtung der gesamten männlichen Weltbevölkerung.
    Trotzdem hörte er sich erwidern: »Ach, Schatz, ich will mich ja auch nicht mit dir streiten. Ich bin rechtzeitig da, ich schwör’s.«
    Er unterbrach die Verbindung und hatte für einen kurzen Moment eine Vision erotisch aufreizender Teddys. Manchmal bin ich schon ein komischer Kauz, dachte er trübsinnig.
    Während er sich weiterhin seiner Schwäche wegen Selbstvorwürfe machte, hörte er draußen auf dem Gang Geräusche, die auf eine heftige Bewegung schließen ließen. Als Tom den Vorhang zur Seite schlug und die Abteiltür öffnete, um nachzuschauen, erhaschte er von der Gruppe, die soeben vorbeigekommen war, bloß noch einen letzten Blick auf einen Arm und ein Bein. Obwohl es nur ein kurzer Blick war, kam ihm an dem Arm irgendetwas vertraut vor. An dem Bein ebenfalls. Er vermutete, dass die Gruppe zu einem anderen Teil des Zuges unterwegs war, in dem sich die Schlafabteile der VIPs befanden, die natürlich in Erster-Klasse-Behausungen untergebracht waren. Tom dachte kurz daran, der Gruppe zu folgen, um sich zu vergewissern, ob es sich tatsächlich um die Insassen der Limousine handelte, sagte sich dann aber, dass er sich auch später darum kümmern konnte.
    Er machte es sich auf der Sitzbank bequem und schaute hinaus auf die vorübergleitende Landschaft. Bisher verlief die Fahrt störungsfrei, und das Geräusch der rollenden Waggonräder auf den Schienen hatte eine beruhigende Wirkung. Es war kein Rattern mehr, wie man es von früher kannte. Es war eher ein Summen mit regelmäßig wechselnder Tonhöhe. Es tat richtig gut, sich auch mal mit solchen gewichtigen Fragen beschäftigen zu können.
    Der erste Bahnhof, an dem sie hielten, war Rockville, Maryland, knapp fünfundzwanzig Minuten nach der Abfahrt in Washington. In der Nähe von Rockville befand sich St. Mary’s, eine schlichte weiße Kirche, die auf einem kleinen Hügel stand. Dort war F. Scott Fitzgerald begraben, nachdem er in seinem letzten Willen verfügt hatte, für immer in amerikanischer Erde zur Ruhe gebettet zu werden. Tom nahm sich vor, für seine spätere Grablegung ähnlich detaillierte Instruktionen zu hinterlassen. Dann holte er seinen Laptop hervor und formulierte erste Überlegungen und Beobachtungen für seine geplante Geschichte, wenngleich er bis jetzt noch nicht allzu viel gesehen und erlebt hatte. Sah man davon ab, dass er von Agnes Joe misshandelt worden war und Lelia ihn gedemütigt und seinen Urlaubsplänen einen empfindlichen Dämpfer verpasst hatte, war die Reise bisher ruhig und friedlich verlaufen.
    Schließlich machte Tom sich auf die Suche nach irgendjemandem, mit dem er sich unterhalten konnte. Als er losmarschierte, setzte auch der Zug sich wieder in Bewegung, und Tom stützte sich an der Wand des Gangs ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Jemand hatte Weihnachtsschmuck im Gang aufgespannt; an der Wand in der Nähe der Verbindungstür zwischen den Waggons hing sogar ein Adventskranz.
    Als Tom an Abteil A vorbeiging, kam der ältere Geistliche heraus, den er bereits im Wartesaal gesehen hatte, und prallte gegen ihn, als der Zug beschleunigte.
    »Hallo, Father«, sagte Tom und nutzte das Händeschütteln, um den älteren Priester vor einem unsanften Sturz zu bewahren. Toms einstige große Liebe, Eleanor Carter, war katholisch; stets hatten sie und Tom die Gottesdienste besucht, ganz gleich, wo sie beide sich damals in der Welt herumgetrieben hatten. Eleanor hatte oft gescherzt, sie würde niemals den Versuch aufgeben, Tom zu missionieren, um seine Seele davor zu bewahren, »spirituell amputiert« zu werden, was nichts anderes bedeutet hätte, als dass besagte Seele in der Hölle zu landen drohte.
    Tatsächlich hatte Tom während seiner High-School-Zeit eine Zeit lang selbst Priester werden wollen. Als Jugendlicher war er mager und linkisch gewesen, da er zu schnell gewachsen war und seine Muskeln und Sehnen und seine Koordinationsfähigkeit nicht Schritt halten konnten. Diese Tatsache – und eine heftige und hartnäckige Akne – hatten dafür gesorgt, dass er bei seinen Mitschülern ziemlich unbeliebt gewesen war. Infolgedessen hatte er von einem Leben geträumt, das von Einsamkeit, Meditation und Gebet bestimmt wurde. Nur zwei Dinge hatten ihn davon abgehalten: Er war nicht katholisch, und dann war da dieses unselige

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