Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geschenk: Roman

Das Geschenk: Roman

Titel: Das Geschenk: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
Vom Netzwerk:
jungen Mannes rechts, das der Frau links, jeweils in Fahrtrichtung.
    »Hallo! Muss ich etwas bezahlen, um durchgelassen zu werden?«, fragte Tom belustigt.
    Sie sahen ihn an und erwiderten sein Lächeln.
    »Entschuldigen Sie«, sagte der junge Mann, während das Mädchen schüchtern den Blick senkte. Die beiden waren um die zwanzig und sahen mit ihren blonden Haaren und der glatten Haut wie Bruder und Schwester aus.
    »Fahren Sie über Weihnachten auch nach Chicago?«
    »Nicht ganz …«, begann der junge Mann ein wenig verlegen.
    »Steve«, unterbrach die junge Frau ihn, »wir kennen ihn doch gar nicht.«
    »Ich finde«, sagte Tom, »in einem Zug gelten besondere Regeln. Wir sitzen für die Dauer dieser langen Reise sozusagen in einem Boot. Das macht die Menschen um einiges mitteilsamer. Deshalb will ich gleich mal damit anfangen. Also, ich bin Journalist und schreibe einen Bericht über eine Transamerikafahrt. Das ist meine Geschichte. Und wie ist Ihre?«
    Die beiden schauten einander an. Dann sagte Steve: »Wir … äh, wollen heiraten.«
    Tom ging in die Hocke und hielt ihnen beide Hände entgegen. »Herzlichen Glückwunsch. Das ist ja toll! Übrigens, sagen Sie Tom zu mir.«
    »Steve. Das ist meine Verlobte, Julie.«
    »Sie wollen also in Chicago den Bund fürs Leben schließen.«
    »Nein, wir heiraten im Zug«, sagte Steve.
    »Im Zug? In diesem Zug?«
    »Nein«, sagte Julie. »Im Southwest Chief, auf der Fahrt nach Los Angeles. Der Zug geht morgen Nachmittag.« Ihr Akzent klang für Tom nach Südstaaten, während Steves Tonfall auf New England schließen ließ.
    »Das ist ja grandios! Ich fahre nämlich auch mit dem Chief.«
    Tom hatte vor Jahren die Absicht gehabt, Eleanor einen Heiratsantrag zu machen, als sie mit dem Zug nach Frankfurt gefahren waren, nachdem sie den Kölner Dom besichtigt hatten. Sie hatten in einem Zweiter-Klasse-Abteil gesessen, obwohl sie Fahrkarten für die erste Klasse gelöst hatten, nur hatten sie es damals nicht begriffen, weil ihr Deutsch nicht allzu gut war. Die Eisenbahnstrecke führte am Rhein entlang, und Tom hatte überlegt, welches der richtige Moment wäre, Eleanor die Frage aller Fragen zu stellen. Ursprünglich hatte er ihr im Dom einen Heiratsantrag machen wollen, doch dort hatte es von Touristen mit Fotoapparaten und schreienden Kindern nur so gewimmelt, und das war ihm dann doch nicht als der passende Rahmen erschienen. Er wollte diesen Schritt nur ein einziges Mal im Leben tun, und dann sollte alles perfekt sein.
    Die ruhige Zugfahrt nach einem geschäftigen Tag mit ein, zwei Gläsern Pils, Kartoffelsalat und saftigen Würstchen im Magen, untermalt vom Mondschein, der vom legendären und romantischen Rhein reflektiert wurde … das alles im Zusammenspiel schien einen geradezu perfekten Rahmen zu bieten.
    Tom stellte sich vor, wie er sich mitten im Gang auf ein Knie sinken ließ, den Ring hervorholte, Eleanor seine Liebe beteuerte und sie gleichzeitig um ihre Hand bat. Sie würde weinen, und auch ihm würden die Tränen kommen. Und sämtliche auf Sparsamkeit bedachten deutschen Insassen der zweiten Klasse würden aufstehen und ihnen applaudieren; denn ein solches Heiratsantragsritual übersprang bekanntlich sämtliche sprachlichen und kulturellen Grenzen. Wenn sie in Frankfurt einträfen, würden völlig Fremde dem frisch verlobten Paar auf Deutsch oder in halbwegs gutem Englisch gratulieren und ihm alles Gute wünschen, und einige würden Tom sogar ein paar zerknüllte Geldscheine in die Hand drücken.
    Aber nichts von alledem war damals geschehen, denn Tom hatte an diesem Tag nicht um Eleanors Hand angehalten, und auch an keinem anderen. Er hatte bloß auf seinem Platz gesessen, und der Ring in seiner Tasche hatte sich wie eine Kanonenkugel angefühlt. Er hatte es nicht geschafft, ihn hervorzuholen und Eleanor auf den Finger zu stecken.
    Tom konzentrierte sich wieder auf das junge Paar. »Sind denn die Hochzeitsgesellschaft und Ihre Familien schon an Bord, oder treffen Sie erst in Chicago zusammen?«
    Jetzt wandte Julie den Blick ab, und Steve befeuchtete seine Lippen mit der Zungenspitze. Offensichtlich hatte Tom einen wunden Punkt getroffen.
    »Nun ja, eigentlich wissen unsere Familien gar nicht, dass wir … äh …«
    »Dass Sie heiraten?«
    »Genau. Sie wissen es nicht und wären auch nicht damit einverstanden«, sagte Julie, wobei sie sich mit dem Handrücken über die Augen wischte.
    »Hör auf, Julie. Tom braucht das nicht zu hören.«
    »Er hat aber

Weitere Kostenlose Bücher