Das Geschenk: Roman
Als Regina durch den Gang schlenderte, um die Kaffeekanne am Ende der Treppe aufzufüllen, war die Person mitsamt dem Diebesgut verschwunden.
Der erste Eisenbahnraub in den Vereinigten Staaten wurde 1866 in Indiana auf der Strecke der alten Ohio and Mississippi Railroad verübt. Die beiden Diebe, ehemalige Bürgerkriegssoldaten, die nach General Lees ehrenvoller Kapitulation entwurzelt und ziellos durchs Land streiften, wurden schnell gefasst. Zahlreiche Diebstähle durch andere Kriminelle folgten, doch der Aufstieg der personell bestens ausgestatteten Pinkerton-Detektivagentur – deren Agenten mit ihren Schusswaffen weitaus besser umgehen konnten als die Männer, die sie verfolgten, darunter die Bande von Jesse und Frank James – setzte diesem lukrativen Zweig des schweren Diebstahls bald ein Ende. Der Dieb im Capitol Limited hatte eine ordentliche Beute gemacht, ohne dass ein Schuss gefallen war. Der arme Jesse James wäre zweifellos neidisch gewesen.
Tom und Eleanor standen draußen vor dem Rauchersalonwagen und atmeten tief die frische Luft.
»Du hast den Typ richtig ans Kreuz genagelt. Dieser Gesichtsausdruck … einfach wunderbar.« Tom drückte sie leicht an sich, eine Geste, die sie nur halbherzig erwiderte. »Gott sei Dank gab es diesen Schach spielenden Rabbi in Tel Aviv. Wie hieß er noch?«
»Ich kann mich nicht erinnern«, antwortete sie leise.
Tom sah sie an, und seine gehobene Stimmung schmolz dahin und wurde von etwas unendlich Traurigem verdrängt. Rabbi Sowieso, Tel Aviv, die Szene der letzten Begegnung … nein, der letzten Schlacht hätte viel besser gepasst.
Er sollte es nicht tun. Er wusste, dass es falsch war, tat es aber doch. Es schien, als wäre die Verbindung zwischen Verstand und Zunge gestört. »Kannst du es mir vielleicht jetzt erklären, nachdem du so viele Jahre Zeit hattest, dir darüber klar zu werden?«
»Was erklären?«
»Oh, ich weiß nicht. Vielleicht sollten wir damit anfangen, weshalb du mich damals verlassen hast. Das scheint mir ein ganz guter Einstieg zu sein. Von da können wir uns ja nach und nach weiter vorarbeiten.«
»Willst du damit behaupten, du weißt nicht, warum ich dich damals verlassen habe?«
»Woher denn? Was du mir damals als Erklärung angeboten hattest, ergab keinen Sinn … und ergibt immer noch keinen.«
»Weil du nicht richtig zugehört hattest, wie jedes Mal. Aber das ist nicht mein Problem.«
»Das ist Quatsch, und das weißt du genau.«
»Ich brauche nicht hier zu stehen und mir deine dummen Vorwürfe anzuhören.«
»Du hast Recht. Setz dich auf den Fußboden, und ich mach weiter. Ich hatte Jahre Zeit, mich darauf vorzubereiten. Ich könnte dir eine so lange Latte von Vorwürfen machen, bis der gute alte Southwest Chief in drei Tagen in den Pazifik rauscht!«
»Ich wusste gleich, dass es dazu kommt! Schon als ich dich sah, wusste ich, dass es passieren würde. Du hast dich kein bisschen geändert.«
»Was hast du denn erwartet, Ellie?«
»Eleanor.«
»Entschuldigung. Für einen kurzen Moment habe ich in der Vergangenheit gelebt, als du für mich noch Ellie warst.«
»Du kannst einem schrecklich auf die Nerven gehen, wenn du so drauf bist. Nimmst du denn nie deine Scheuklappen ab und siehst die Welt so, wie sie wirklich ist?«
»Ich habe viel von der Welt gesehen, mehr als die meisten anderen Menschen, und ich habe dabei nie eine rosa Brille getragen.«
»Das habe ich auch nicht gemeint. Du hast immer nur gesehen, was du sehen wolltest.«
»War es ein anderer Mann?«
Eleanor verdrehte die Augen und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Warum denkt ihr Kerle immer, es wäre ein anderer, wo es normalerweise die Männer sind, die fremdgehen?«
»Ich bin nicht fremdgegangen! Niemals!«
»Das habe ich auch nie behauptet. Von mir kann ich übrigens dasselbe sagen.«
»Warum hast du mich dann verlassen?«
Sie schüttelte traurig den Kopf. »Tom, wenn du jetzt nicht mal verstehst, was der Grund dafür war, wirst du es niemals begreifen.«
Er starrte sie an. »Tut mir Leid. Irgendwie ist mein Gehirn eingerostet, was weiblich verklausulierte Aussagen angeht. Kannst du mir nicht behilflich sein? Was hast du gerade gemeint?«
Sie schüttelte den Kopf. »Sogar nach all den Jahren hast du es nicht geschafft.«
»Was habe ich nicht geschafft?«
»Erwachsen zu werden!«
Ehe er darauf antworten konnte, hörten sie Gesang. Wenig später erlebten die beiden, wie sich eine Schar Weihnachtssänger, die sich aus Angestellten der
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