Das Geschenk: Roman
Regina. »Darf ich vorstellen – Lynette Monroe, Tom Langdon.«
Lynette war Mitte sechzig, hatte langes silbergraues Haar und fein geschnittene Gesichtszüge. Sie war noch immer eine sehr attraktive Frau. Und sie schien trotz ihrer Behinderung voller Energie zu sein.
»Wie ich hörte, arbeiten Sie jetzt für diese Filmleute, Tom«, meinte Regina.
»Ist das wirklich Max Powers?«, wollte Lynette wissen. »Ich liebe seine Filme.«
»Die Frau in ihrer Begleitung«, fuhr Regina fort, »ist laut Passagierliste eine gewisse Eleanor Carter, aber ich glaube, sie ist in Wirklichkeit ein Filmstar, der inkognito reist. Die Lady hat Klasse. Sie ist atemberaubend. Ist sie ein Filmstar, Tom?«
»Ich kenne sie persönlich. Sie ist Schriftstellerin, keine Schauspielerin. Obgleich ich Ihnen hinsichtlich ihres atemberaubenden Aussehens nicht widersprechen kann.« Doch was ihren derzeitigen Geisteszustand betraf, wollte er sich im Augenblick lieber nicht festlegen.
»Sie haben Eleanor schon früher gekannt?«
»Ja, ich kenne sie seit Jahren. Wir haben gemeinsam einige Reportagen gemacht.«
»Wie ich hörte, war es sogar noch ein bisschen mehr zwischen euch«, bemerkte Misty.
Tom starrte sie konsterniert an. »Was wissen Sie denn darüber?«
»Gerüchte verbreiten sich in einem Zug noch schneller als anderswo, außer vielleicht in der Kirche. Man kriegt eine Menge zu hören.« Sie drängte sich noch dichter an Tom heran. »Man ist einander ständig sehr nahe, schon wegen der kleinen Abteile und so.«
»Sie meinen, die Leute lauschen«, sagte er.
»Das ist aber ziemlich unhöflich ausgedrückt! Soll ich Ihnen mein Motto sagen? ›Wenn Sie über jemanden nichts Gutes zu erzählen haben, gehen Sie zu Misty und verraten es ihr.‹«
»Ich muss mich jetzt empfehlen, meine Damen«, sagte Tom und löste sich behutsam von Misty.
Regina nahm Lynettes Tablett. »Ich auch.«
Während sie sich entfernten, rief Misty: »Ach, Tom …«
Er wandte sich um, und sie fächerte ihre Tarotkarten auseinander. »Ich habe so eine Ahnung, dass zwischen uns irgendeine Verbindung besteht.«
»Misty, er hat eine Freundin in Los Angeles, die er über Weihnachten besuchen will«, sagte Regina. »Sie ist die Stimme von Cuppy, dem Wunderbiber. Dieses Tier im Fernsehen.«
Tom verschlug es beinahe die Sprache. »Woher wissen Sie das denn?«
»Agnes Joe hat es mir erzählt.«
Tom schaute die Frauen entgeistert an. »Wozu brauchen wir noch die CIA, wenn wir Sie beide haben?«
»Wissen Sie, Tom«, meinte Misty gedehnt, »ein erwachsener Mann braucht eine erwachsene Frau. Zeichentrickfilme können einen nachts nicht wärmen, mein Freund.«
»Misty ist schon eine Kanone«, sagte Tom zu Regina, nachdem sie die Treppe hinaufgestiegen waren.
Regina lächelte. »Ach, sie ist nur nett, wie die Leute aus dem Süden es nun mal sind. Sie meint es nicht so ernst … na ja, wenigstens nicht alles. Wir sind gute Freundinnen.«
»Ich vermute, sie fährt oft mit der Eisenbahn.«
»Na klar. Sie sagt den Leuten die Zukunft voraus, liest ihnen aus der Hand, legt für sie die Karten, und alles gratis. Üblicherweise nimmt sie den Crescent von Washington nach New Orleans. Sie hat ein kleines Studio im French Quarter unweit vom Jackson Square. Ich war schon mal dort. Es ist sehr hübsch.«
»Und Lynette? Es war sehr freundlich von Ihnen, ihr das Essen zu bringen.«
»Na ja, es ist ziemlich schwierig, sich in einem Zug mit einem Rollstuhl zu bewegen. Lynette hat Multiple Sklerose, lässt sich aber nicht davon unterkriegen. Wir haben immer eine Menge Spaß.«
»Sie scheinen Ihre Passagiere wirklich gut zu kennen.«
»Sie bedeuten mir sehr viel. Eigentlich …«
»Sie kleine Diebin!«
Sie fuhren herum, und da war Gordon Merryweather.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte Regina.
Merryweather stampfte auf sie zu. »Ich wurde bestohlen, und ich wette, Sie waren es. Sie hatten nämlich als Einzige die Möglichkeit. Ich werde dafür sorgen, dass Sie rausfliegen und Weihnachten im Knast verbringen!«, brüllte er.
»Immer mit der Ruhe«, erwiderte Regina. »Ihr Ton passt mir nicht und Ihre Anschuldigung noch weniger. Wenn Sie irgendwas vermissen, mache ich einen Bericht und leite ihn an die zuständigen Stellen weiter.«
»Ihre kleine Rede können Sie sich sparen«, sagte Merryweather schroff. »Ich will mein Eigentum zurück, und zwar auf der Stelle!«
»Da ich nicht weiß, um welche Dinge es sich handelt und wer sie entwendet hat, dürfte das ein wenig
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