Das Geschenk: Roman
Luftschaufeln zwischen die Beine geklemmt.
Die meisten Plätze waren besetzt, aber dann fanden sie doch noch drei freie Sitze fast am Ende des Salons. Zwei Raucher hatten ein primitives Brett auf einen Aschenbecherständer gelegt und spielten auf diesem Behelfstisch Dame. Eine andere Gruppe unterhielt sich über die bevorstehenden Football-Playoffs. Obgleich ein Schild an der Tür darauf hinwies, dass das Mitbringen von Speisen oder Getränken nicht gestattet war, schien jeder der Anwesenden irgendetwas zu verzehren oder zu trinken. Jemand meinte, es wäre völlig okay, solange der Schaffner sich nicht blicken ließ. In diesem Fall sollte jeder schnellstens verstecken, was er mitgebracht hatte. Tom ließ den Blick über die Bierflaschen, die extragroßen Eiskremwaffeln und die Karaffen mit selbst gemixten Getränken schweifen, die ganz und gar nicht wie harmlose Limonade aussahen, und er fragte sich, wie diese Dinge Erfolg versprechend versteckt werden könnten, sollte der Schaffner tatsächlich erscheinen.
Sie setzten sich und versuchten, alles in sich aufzunehmen, ohne ihren Lungen zu viel Schaden zuzufügen. Father Kelly und Tom erweckten ihre Zigarren zum Leben, während Eleanor sich zurücklehnte und die Augen schloss.
»Müde?«, fragte Tom zwischen zwei Zügen. »Du lebst sicher noch nach Westküstenzeit.«
»Eigentlich war ich schon eine ganze Woche in Washington, ehe wir losfuhren.«
»Was ist denn in Washington?«
Ohne die Augen aufzuschlagen, sagte sie: »Jemand.«
Tom ließ die Havanna sinken und den Blick ziellos über die Leute im Rauchersalon schweifen. Jemand. Eleanor hatte jemanden. Na ja, warum sollte sie nicht jemanden haben? Sie war immer noch jung und intelligent und schön und wahrscheinlich reich von ihrer Arbeit beim Film. Und er, Tom, hatte in gewisser Weise ja auch jemanden. Wie hieß sie noch? Linda? Nein, Lelia. Er wertete diese Gedächtnislücke als kein gutes Zeichen.
Toms Begeisterung für Eleanor war in dem Moment entflammt, als er sie das erste Mal gesehen hatte. Alles schien irgendwie langsamer abzulaufen, als er sie damals auf dem Campus an sich vorbeischlendern sah. Es schien, als wären sie beide ganz allein auf der Welt. Und es war nicht nur Eleanors Schönheit; es waren auch all die anderen Dinge, die einem den Kopf verdrehen konnten: die Art und Weise, wie sie sich bewegte, wie sie redete, wie sie einem in die Augen schaute und aufmerksam zuhörte, was man zu sagen hatte. Doch es war noch viel mehr. Wie Agnes Joe es so treffend beschrieben hatte: Es hatte Tom damals nicht mehr interessiert, ob er gegessen, geschlafen, ja, sogar geatmet hatte, solange nur Eleanor in seiner Nähe gewesen war. Und ihr Temperament – davon hatte sie mehr als genug – hatte seine eigene Anziehungskraft auf ihn ausgeübt. Ihre Ansichten und Meinungen waren völlig unvoreingenommen, entsprangen ausschließlich ihrem eigenen Verstand, und sie entwickelte diese Gedanken fort und feuerte sie mit tödlicher Zielsicherheit ab, ohne dafür jemals irgendwelche Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Auf jeden leidenschaftlichen Ausbruch folgte eine zärtliche Berührung ihrer Hand oder ein auf Toms Lippen gehauchter Kuss, denn am Ende hatte er nach vielen energischen Attacken und Gegenattacken mehrerer ernsthafter Rivalen Eleanors Herz gewonnen …
Toms Träumereien wurden plötzlich durch das Erscheinen eines Mannes in der Tür zum Rauchersalon unterbrochen. Er war ungefähr eins neunzig groß, schlank und um die fünfundzwanzig Jahre alt. Der Mann musterte alle Anwesenden mit einem ausgesprochen überheblichen Blick. Er hatte einen der aktuellen Mode entsprechenden Dreitagebart und trug verwaschene Jeans mit abgewetztem Gürtel. Doch sein Seidenhemd war ein teures Designermodell, sein Haar sah aus, als wäre es von einem Coiffeur kunstvoll zerzaust worden, und seine Jeans schien fachmännisch, aber künstlich gealtert worden zu sein. Ein Gentleman-Penner, der sich offenbar für den Größten hielt, folgerte Tom.
Unter einem Arm trug der Mann ein Schachbrett und einen Kasten mit Schachfiguren. Tom verfolgte, wie er methodisch seinen Laden eröffnete. Eleanor hatte die Augen mittlerweile aufgeschlagen und unterzog den Neuankömmling ebenfalls einer eingehenden Überprüfung. Während der nächsten Stunde besiegte der Bursche alle, die sich mit ihm anlegten. Wie Father Kelly zu berichten wusste, waren zahlreiche Schachamateure auf den verschiedenen Eisenbahnstrecken unterwegs. »Die Eisenbahn scheint
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