Das Geschenk: Roman
Schatz!‹ geübt? Ich glaube, bei der Frau werden Sie beides ziemlich oft sagen müssen.«
Father Kelly kam herein und erkundigte sich, ob sie Lust hätten, in den unteren Salon zu kommen, wo eine Pokerrunde stattfinden sollte. Sie unterbrachen ihr Gespräch über Herzensangelegenheiten und begaben sich in den für Erwachsene reservierten Teil das Barwagens.
KAPITEL 13
Tom hatte in seinem Leben schon viele Schauplätze unbarmherziger Pokerschlachten gesehen. Diese Orte wurden zumeist von verschlagenen, unterbezahlten Journalisten mit steinernen Mienen bevölkert, die darauf aus waren, ihr Einkommen aufzubessern, während sie in ihren mit Spielkarten tapezierten Schützenlöchern hockten. In seiner Zeit als Polizeireporter beim Territorial Enterprise hatte Sam Clemens ebenfalls an zahlreichen Kartenspielen teilgenommen. Üblicherweise hatte er zu diesen »freundschaftlichen« Partien seinen Navy-Colt mitgenommen – vermutlich für den Fall, dass ein Teilnehmer falsche Schlüsse aus einer hohen Karte zog, die irrtümlich in einem Stiefel oder Ärmel versteckt worden war.
Rein äußerlich erschien die Gruppe im Salonwagen mehr oder weniger unschuldig und harmlos, aber genau das waren die Typen, vor denen man sich besonders in Acht nehmen musste. Das meiste Geld hatte er mal bei einem Kartenspiel in einem hübschen kleinen Kloster im Ausland verloren, dessen genaue Lage er aus Scham lieber nicht preisgeben wollte. Die Äbtissin hatte dabei viermal hintereinander einen Straight hingeblättert, ein in der Geschichte des Pokerspiels sicherlich einmaliger Rekord. Tom fand immerhin ein wenig Trost in dem Gedanken, dass kein Kartenspieler, egal wie erfahren oder wagemutig, ernsthaft hoffen konnte, gegen einen Gegner zu bestehen, zu dessen Verbündeten der Allmächtige persönlich zählte.
Die bei der Pokerrunde im Zug benutzten Chips waren aus Kartoffeln; deshalb kauften sie mehrere Tüten Doritos. Von Tom animiert, holte Eleanor sich sogar einen von Tyrones hochprozentigen »Heizkesseln«. Der ebenholzfarbene Elvis und der Journalist wechselten einen triumphierenden Blick, als die Frau ihr Glas in einem Zug leerte, sich den Mund mit dem Handrücken abwischte, als hätte sie bloß eine Limo getrunken, und sich niederließ, um Karten zu spielen.
»Das ist geradezu übermenschlich! Und Sie wollen mir erzählen, Sie kennen die Lady?«, flüsterte Tyrone.
»Genau da bin ich mir jetzt nicht mehr so sicher«, erwiderte Tom genauso leise.
Sie arbeiteten die gesamte Liste durch: Poker, Blackjack, Hearts, Spades, Gin Rummy, Euchre und andere Gesellschaftsspiele und hatten am Ende genauso viele Dorito-Chips wie zu Beginn der Partie, dazu jede Menge Material sowohl für Toms Reportage wie für Eleanors Filmdrehbuch. Da war ein Zeitgenosse mit sechs Fingern, der mehr gewann, als er verlor. Tom vermutete, dass es etwas mit dem zusätzlichen Finger zu tun hatte und vielleicht mit einem oder zwei Assen, die irgendwie versteckt worden waren. Allerdings hätte er das nicht zweifelsfrei beweisen können, was an diesem Ort ein ungeschriebenes Gesetz war, wie er erfuhr. In der Runde saß außerdem ein unangenehmer Spieler, der jedes Mal, wenn er sich den gewonnenen Pott grapschte, ein lautes Schnauben von sich gab, sich über die Spielfehler seiner Gegner lustig machte und ganz allgemein jedem Anwesenden auf die Nerven ging. Irgendwann während des Spiels beugte Eleanor sich zur Seite und flüsterte Tom ins Ohr: »Dieser Kerl muss schon in der ersten Filmszene dran glauben.«
Als die Runde sich schließlich auflöste und die Spieler sich erhoben, holte Tom seine Havannas hervor und blickte Father Kelly an, der sich ebenfalls als passabler Spieler entpuppt hatte und seine Fähigkeiten mit der Bemerkung kommentierte: »Das kommt nur von zu viel Freizeit im Pfarrhaus während meiner ersten Jahre als Seelsorger.«
»Der Rauchersalon ruft, Father.«
Eleanor folgte ihnen, obgleich Tom wusste, dass sie nicht rauchte – zumindest hatte sie nicht geraucht, als er noch mit ihr zusammen gewesen war. Er warf ihr einen fragenden Blick zu.
Sie zuckte die Achseln. »Max ist der Boss. Wer A sagt, muss auch B sagen.«
Im Rauchersalon drehten sich Ventilatoren an der Decke. Eigentlich hätten sie die Luft binnen kürzester Zeit von sämtlichen Rauchspuren reinigen müssen, doch der verqualmten Atmosphäre nach zu urteilen hatten die Ventilatoren den Kampf längst aufgegeben und sich wie geprügelte Hunde winselnd von dannen getrollt, die
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