Das geschenkte Gesicht
und zeigt ihm nicht, wie er aussieht. Tut so, als sei alles normal. Wer euch früher gesehen hat, hätte auch weglaufen können! Also, versaut mir den Mann nicht!«
»Wie'n Feldwebel aus Ostpreußen!« hatte der Berliner gesagt, als die Ärztin fort war. »Und aussehen tut se, als käme se von der Ufa! 'n Mordsweib, det steht fest!«
Ein anderer Stubengenosse mit einer rechten Gesichtshälfte, die wie ein zusammengeschrumpfter Bratapfel aussah – in einem brennenden Panzer hatte er mit der rechten Seite in kochendem Öl gelegen –, nahm Schwabe die wenigen Dinge ab, die er in einem Wehrmachtssack bei sich trug. Er ging zu einem Bett in der Ecke und legte den Sack darauf.
»Wir freuen uns, daß du da bist. Ich heiße Fritz Adam und bin der Stubenälteste.«
»Erich Schwabe …«, sagte Schwabe leise und folgte Adam zu seinem Bett. Dort setzte er sich und packte seine Sachen aus … ein zerknittertes Bild von Ursula, das er gegen einen Steingutbecher stellte, einen Schreibblock, zwei Bleistifte und einen Kalender. Adam half ihm beim Einräumen des Spinds.
»Na denn«, sagte der Berliner, als sich der erste, gut beherrschte Schock über den Anblick Erich Schwabes gelegt hatte. »Weiter geht's! Ick hab' 'ne tolle Flöte in der Hand. Damit reiß' ick euch de Knöpfe von der Unterhose …«
Wie schön ist es hier, dachte Schwabe. Skat kann man spielen, Schach, Mensch ärgere dich nicht. Witze werden sie machen und vom Thema 1 erzählen.
Er hatte kaum eingeräumt, als die Tür aufgerissen wurde. Der Stubenälteste schrie: »Achtung!« Vom Tisch spritzten die Männer hoch und legten die Hände an.
»Heil Hitler!« sagte eine helle, kalte Stimme von der Tür her.
»Heil Hitler!« brüllten die fünf zurück.
Dr. Fred Urban starrte auf Erich Schwabe, der sich auf sein Bett gesetzt hatte und das Bild Ursulas ansah. Er schien nicht wahrgenommen zu haben, daß jemand in die Stube gekommen war. Erst als Walter Hertz, der ihm am nächsten stand, zischte: »Mensch, erheb dich!« sah er auf und in die kalten Augen des Oberarztes.
»Was ist denn das?« brüllte Dr. Urban. »Ihnen fehlt ja allerlei in der Fresse, aber Ohren haben Sie noch! Und aus den Kniekehlen haben wir Ihnen auch keine Knorpel verpflanzt! Also?«
Erich Schwabe erhob sich. Seine Augen waren dunkel. Er legte die Hände an die Seite und starrte Dr. Urban aus seinem zerstörten Gesicht an.
»Heil Hitler!« schrie der Oberarzt. »Los … üben Sie … das ist die beste Gymnastik für neue Lippenteile! Bei Heil brauchen Sie nur die Zunge, und das Hitler kommt ganz von selbst! Wozu der Name unseres Führers alles gut ist, was? Los, Mensch, rufen Sie. Vom Stielaugenmachen hat noch keiner eine schöne Visage bekommen!«
Erich Schwabes Blick irrte zu den stramm stehenden Stubengenossen. Er sah, wie Feininger ihm zublinzelte und der Berliner ihm ein Zeichen mit dem Finger gab.
»Heil Hitler!« schrie er da, so grell aus seiner mit einer Klammer offengehaltenen Mundhöhle, daß sich die Stahlbügel der Klammer in das neue Fleisch bohrten und Dr. Urban einen Schritt zurücktrat. Eine Spur von Blässe zog über sein nordisches Gesicht.
»Aufhören«, schrie er außer sich, als er bei Schwabe das Blut aus der Mundhöhle rinnen sah. »Ein Saustall ist das hier! Ein Geist herrscht hier, der schon Wehrkraftzersetzung ist! Aber ich weiß schon, woher ihr den Mut bekommt. Lange dauert's nicht mehr, darauf könnt ihr euch verlassen! Ihr seid Nationalsozialisten auch ohne Fresse …«
»Und dabei war det bisher imma die Hauptsache …«, sagte der Berliner. Die anderen standen wie Pfähle, nur ihre Augen lachten.
Dr. Urban ging auf den Berliner zu. »Bei der nächsten Entlassung, mein Freund …«, sagte er. »Um einen Panzer zu fahren, braucht man keine Nase!« Dann wandte er sich ab, donnernd krachte die Tür hinter ihm zu.
Die Männer setzten sich.
»Det kann lustig werden«, sagte der Berliner und mischte die Skatkarten. »Wat haste dem denn jetan, Erich, det der uff eenmal so wütend is?«
Erich Schwabe sank auf das Bett und starrte auf Ursula. Vor drei Tagen hatte sie geschrieben. »Nun sind über acht Wochen herum, wo du in der Heimat bist. Ich habe solche Sehnsucht nach dir … warum kann ich denn nicht zu dir kommen? Andere Frauen besuchen ihre Männer in den Lazaretten. Nebenan, die Frau Schmidke, war viermal schon in Burgsteinfurt bei ihrem Mann. Warum kann denn ich nicht kommen? Du … laß mich doch kommen …, bitte, Erich …«
»Seid ihr
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