Das geschenkte Leben
weißt, daß ich nicht trinken sollte. Ich kann nichts vertragen.«
»Du kannst dazu essen, soviel du willst. Völlig ungefährlich.«
Winifred errötete. »Wenn ich trinke, werde ich albern.«
»Roberto, versprichst du diesem armen Kind, daß du sie sicher nach Hause bringen wirst, sollte sie ohnmächtig werden?« (Was ist am Zuhause sicher, Joan? Du solltest eine rote Laterne aushängen.) (So? Und wer war meine Lehrerin? Ich dachte immer, du seist die Königin von diesen Sachen.)
Der Raum hatte sich inzwischen gefüllt; die Beleuchtung wechselte, und die Schau begann – zwei Komiker, die eine mittelmäßige Zirkusnummer mit den vertrauten alten Späßen vorführten. Joan fühlte eine merkwürdige Rührung, beinahe Wehmut, als sie diese Relikte einer versunkenen Zeit wiederauferstanden sah, aber sie applaudierte heftig, als die Komiker abtraten. Dann wurde es für einige Sekunden dunkel – und die Tanzfläche hatte sich in eine ländliche Szene verwandelt, die den Hintergrund für die älteste aller, Sexgeschichten abgab. Kostüme und Requisiten waren die stilisierten alten Symbole, und die Darsteller waren der Bauer, seine Tochter und der geschniegelte Schwindler und Verführer aus der Stadt. Es war eine getanzte Pantomime zur Themenmusik des Orchesters.
Sie flüsterte Jake zu: »Wenn die ein Bauernmädchen ist, bin ich Adolf Hitler.«
»Was weißt du von Bauern, liebes Kind?«
»Viel, für einen Stadtjungen. In den Sommerferien war er oft bei Verwandten auf dem Land und half bei der Ernte. Sachen, von denen heute niemand mehr was weiß – Garben binden und aufladen, den Zugochsen anspannen, auf der Tenne Getreide dreschen, die Kühe melken und ab und zu gab’s auch mal ein Bauernmädchen. In meinem Herzen war ich immer ein Bauer. Jake? Könnten wir nicht eine aufgegebene Farm kaufen? Eine einfache kleine Angelegenheit, mit Zugbrücke und Wassergraben und unserer eigenen Wasserversorgung und Stromerzeugung? Aus dieser sterbenden Stadt hinaus, wo die Natur noch grün und still ist?«
»Deine Beschreibung erinnert mich mehr an ein Wasserschloß. Aber wenn du es willst, bin ich nicht dagegen. Langweilst du dich hier? Möchtest du weiter?«
»Nicht während der Darbietung, Jake.« (Ich möchte sehen, wie er die Nummer mit der Bauerntochter imitiert.) (Ich auch!)
Zu ihrer Überraschung wurde nichts imitiert. Nachdem der trickreiche Besucher aus der Stadt das Bauernmädchen betört hatte, verführte er sie auf einem Heuhaufen – und die Darsteller sorgten dafür, daß die Zuschauer sehen konnten, daß der Vorgang in keiner Weise gestellt war. Winifred errötete bis zur Taille, ohne jedoch ihre Augen abzuwenden. Gegen Ende der Darbietung gab es eine Variation, von der sogar Eunice zugeben mußte, daß sie ihr neu war. Als die Bewegungen hektischer wurden und das Orchester seinen Rhythmus zu den lauten Quietsch- und Grunzlauten beschleunigte, tauchte wie erwartet der Bauer auf, bewaffnet mit einer Heugabel. Aber das Heu fing Feuer, anscheinend von der hitzigen Aktion, und der Bauer ließ seine Heugabel fallen und ergriff eine Flasche Mineralwasser, die in Reichweite auf einem leeren Tisch stand, um seine Tochter und ihren Liebhaber zu übergießen und das Feuer zu löschen – wobei er zuerst auf den scheinbaren Ursprung des Feuers zielte.
Joan beschloß, daß die Vorführung Applaus verdiente.
Winifred schloß sich ihr zögernd an, klatschte dann aber eifrig, als Roberto es auch tat. Jake fiel in den Beifall ein, wurde aber unterbrochen.
»Was gibt es, Rockford?«
Joan wandte überrascht ihren Kopf. Jakes Fahrer sah sehr aufgeregt aus. »Mister Salomon – ich muß mit Ihnen sprechen.«
»Tun Sie es.«
»Äh – Charlie ist tot.«
»Um Gottes willen! Wo? Wie?«
»Gerade eben. Im Gesellschaftsraum für die Wachen. Er war nicht betrunken. Dies ist ein streng geführter Laden, sie geben unsereinem nichts Alkoholisches. Wir spielten Poker, und Charlie stichelte dauernd diesen Polacken. Er hatte keinen Grund dazu, und ich sagte ihm, er solle damit aufhören. Aber er tat es nicht. Der Polacke wurde wütend, versuchte aber eine Keilerei zu vermeiden. Charlie ließ ihn nicht in Ruhe, und – na ja, dann hatte er den Polacken soweit, bloß anders als er dachte; der Polacke brach ihm das Genick, bevor ich um den Tisch konnte.« Rockford beugte sich näher und sagte: »Chef, nachdem wir hier in einer Zone sind, könnte ich ihn einfach wo abladen. Wäre vielleicht die beste Lösung, oder?«
»Nein. Ich muß es
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