Das geschenkte Leben
Hause gehen. Nun, du weißt selber, wie es mit diesen Vertrauensärzten ist, sie haben schon Leute arbeitsfähig geschrieben, die tot zusammenklappten, bevor sie wieder draußen auf der Straße waren.‹)
»Joe, sie schreibt, daß sie Schmerzen hat und von ihrem Arzt zum Vertrauensarzt geschickt wurde, der sie anscheinend ziemlich kurz abfertigte und sagte, es sei kein Magenkrebs, sondern eine nervöse Störung.«
(›Der neue Priester ist keine Hilfe. Er ist ein junger Schnösel, der glaubt, über alles Bescheid zu wissen. Er hört einfach nicht zu. Behauptet, ich bekäme eine genauso gute Behandlung wie jeder andere, obwohl er genau weiß, daß es nicht wahr ist. Wenn du willst, daß ein Arzt sich um dich kümmert und dich selber untersucht, mußt du Privatpatient sein und gesalzene Rechnungen bezahlen können. Unsereiner ist bloß Dreck und kriegt bei jeder Gelegenheit unter die Nase gerieben, daß er als Wohlfahrtsempfänger den Mund zu halten hat. Ich möchte dir nicht wünschen, mein Junge, daß du einmal krank wirst und Ähnliches erleben mußt.‹)
»Sie schreibt, daß es einen neuen Priester in ihrer Pfarrei gibt, einen jungen, mit dem sie anscheinend nicht so gut kann wie mit dem alten. Und sie klagt, daß die Ärzte sich nicht um Wohlfahrtsempfänger kümmern, die als Patienten zu ihnen kommen, und daß man Privatpatient sein müßte …«
»Das wissen wir«, sagte Joe. »Ein alter Hut. Brauchst du nicht zu erwähnen.«
(›Mein lieber Junge, deine Mama hat noch nicht einen Brief von dir bekommen, seit Eunice tot ist. Gibt es keine Briefschreiber in deinem Block? Du weißt, wie eine Mutter sich sorgt, wenn sie von ihrem einzigen Jungen nichts hört. Jeden Tag beobachte ich den Briefkasten und passe auf, daß niemand ihn ausräumt, bevor ich hinkomme. Aber kein Brief von meinem kleinen Giovanni – bloß Reklamesendungen und einmal im Monat der Scheck. Vielleicht kannst du mich im Sommer wieder besuchen? Ich wäre glücklich. Noch immer lebe ich von der Erinnerung an unser letztes Zusammensein.‹)
»Sie schreibt, daß sie seit Eunices Tod noch nichts von dir gehört hat und auf einen Brief hofft, Joe. Ich würde gern einen für dich schreiben, bevor ich gehe, alles was du diktieren willst.«
»Vielleicht. Danke.« Joe schien nicht begeistert. »Sehen wir später. Zuerst malen. Schreibt sie noch was?«
»Sie würde glücklich sein, wenn du sie im Sommer wieder besuchen könntest. Sie denkt immer noch gern an euer Zusammensein zurück.«
(Eunice, jetzt kommt der schwierigste Teil.) (Laß ihn weg!) (Ich kann nicht!)
(›Ich habe dich im Fernsehen gesehen und fiel beinahe tot um, als du sagtest, du hättest eine Million Dollar weggegeben, auf die du jedes Recht hattest. Ich kann zur Not verstehen, daß du nichts mit dem Geld zu tun haben wolltest, das für Eunices Körper bezahlt wurde, aber du hättest dir Zeit nehmen sollen, darüber nachzudenken, statt im ersten Schmerz ohne Überlegung ein sicheres Vermögen wegzuwerfen. Solcher Edelmut ist für Leute gut, die sich ihn leisten können, mein Junge, nicht für unsereinen. Ich darf gar nicht daran denken, was jetzt sein könnte, wenn du das Geld behalten hättest. Deine alte Mutter und deine Schwestern brauchten nicht mehr in diesem Loch zu hausen, ich könnte zu guten Ärzten gehen und ruhig sterben, wenn die Zeit kommt, weil ich die Zukunft meiner Kinder gesichert wüßte. Das war eine große Dummheit von dir, aber du warst ja immer ein Träumer. Kannst du diese Schenkung oder einen Teil von ihr nicht rückgängig machen?
Deine dich liebende Mutter.‹)
*
»Joe, anscheinend hat deine Mutter die Gerichtsverhandlung über die Identität im Fernsehen verfolgt und deine Zeugenaussage gehört. Sie ist enttäuscht, daß du die Million dem Blutspenderdienst geschenkt hast, statt sie zu behalten und dir selbst und ihr und deinen Schwestern aus allen Schwierigkeiten herauszuhelfen. Sie meint, es sei eine Dummheit von dir gewesen, und soviel Edelmut sei gut für Leute, die sich ihn leisten können, aber nicht für Arme. Und dann fragt sie, ob du diese Schenkung oder einen Teil davon nicht rückgängig machen kannst.«
Joe starrte mit düsterer Miene vor sich hin und sagte nichts.
»Das ist alles, außer daß sie dir liebe Grüße schickt. Joe, ich kann sehen, wie enttäuscht deine Mutter sein muß, daß du dieses Geld …«
»Meine Sache«, sagte Joe trotzig. »Nicht ihre.«
»Darf ich den Gedanken zu Ende führen, Joe? Nachdem ich diesen
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