Das geschenkte Leben
vorstellen, was es für mich bedeutet, Geschirr abzuwaschen?«
Gigi blickte verdutzt. »Häh? Ich verstehe nicht, Joan. Geschirr abzuwaschen ist eine langweilige Plage. Oft lasse ich das ganze Zeug in der Spüle stehen, dann muß ich es am nächsten Morgen vor dem Frühstück machen. Und bis ich damit fertig bin, vergeht mir der Appetit.«
»Laß dir einen Tip geben, Gigi. Diese Wohnung ist klein.
Wenn zwei auf engem Raum zusammenleben, kommt es unweigerlich vor, daß einer dem anderen auf die Nerven geht. Wenn es dann noch unsauber und unaufgeräumt ist liegt darin zusätzlicher Zündstoff, und eines Tages kommt die Explosion. Sorge dafür, daß die Wohnung immer makellos sauber und aufgeräumt ist, und Joe wird sich nichts dabei denken, wenn du Runzeln kriegst. Aber eine schmutzige Toilette und das Geschirr von zwei Tagen in der Küche und ein Durcheinander in der Wohnung machen auf die Dauer jeden Mann unzufrieden und deprimiert, und er beginnt sich früher oder später zu fragen, ob er die richtige Frau geheiratet hat. Du darfst es mir glauben, ich war lange genug selbst einer. Das ist so, selbst wenn er sich scheinbar nichts daraus macht.«
Gigi sagte: »Joan, ich versuche es ja. Aber ich kann nicht gleichzeitig saubermachen und Modell stehen.«
»Sieh zu, Gigi. Tu dein Bestes. Ich glaube, Joe ist ein Mann, den du dir erhalten solltest, und eine zusätzliche Anstrengung wird dir dabei helfen. Aber ich sprach vom Geschirrwaschen – für dich ist es eine Plage, aber für mich ein Luxus. Geschirr abwaschen bedeutet für mich Freiheit. Jetzt sind wir hier, drei von uns, keine Diener – und bald werde ich fort sein, und du wirst mit deinem Mann allein sein. Du schließt die Tür, und die Welt ist ausgesperrt. Ich kann sie nicht aussperren. Laß mich nachdenken … vier Leibwächter, ein Sicherheitschef, zwölf Wächter für das Haus, davon vier immer im Dienst und die anderen in Bereitschaft, eine Zofe, ein Kammerdiener, der mich früher besorgte und sich jetzt um Gäste kümmert, ein Aufseher für das Hauspersonal, eine Köchin, drei Küchenhilfen, vier Hausdiener, drei – oh, ich erinnere mich nicht; als ich das letztemal fragte, gab es ungefähr vierzig Leute in meinem Haushalt.«
»Mein Gott, Joan!«
»Ja, ›Mein Gott!‹ Und alle sind nur für die Bedürfnisse einer Person da. Klingt lächerlich, oder? Und doch könnte ich kaum einen von ihnen gehen lassen, ohne ihn zu ersetzen. Das Haus ist zu groß und zu kompliziert, überladen mit Installationen. Wenn du eine Festung haben willst, brauchst du eine Menge Einrichtungen, und die müssen überwacht und instand gehalten werden. Ich habe einen Elektriker und einen Schlosser im Haus, die nur dafür zu sorgen haben, daß alles funktioniert. Alle diese Komplikationen, und niemals wirkliche Zurückgezogenheit. Und wozu? Um für eine Person zu sorgen, die es nicht so will.«
»Ich weiß nicht, was du hast, Joan«, sagte Gigi. »Du bist nicht an diese Stadt gebunden und kannst machen, was du willst. Was kann dich daran hindern, einfach fortzuziehen, dir ein Landhaus zu kaufen …«
»Aber wohin sollte ich ziehen, Gigi?« fragte Joan hilflos.
»Deine Probleme möchte ich haben! Wenn ich du wäre, hätte ich mir längst eine Villa in der Schweiz gekauft, oder eine Insel, oder eine Luxusjacht, oder alles zusammen. Wäre viel sicherer, und hundertmal schöner.«
»Ja, natürlich. Daran hatte ich auch schon gedacht! Aber allein? Meine Freunde sind hier – ich würde mich schrecklich einsam fühlen. Und was sollte ich mit meinen Leuten machen? Viele von ihnen sind seit langen Jahren bei mir. Treue Diener sind auch eine Verpflichtung. Gewiß, manche von ihnen könnten andere Arbeit finden, aber nicht alle. Was würdest du machen, wenn Joe zu dir sagte: ›Ich kann dich nicht mehr gebrauchen. Hau ab.‹«
»Ich würde weinen.«
»Meine Diener würden vielleicht nicht weinen, aber sie stünden genauso vor dem Nichts. Und ich hätte ewig ein schlechtes Gewissen.«
»Nun, wenn du dir zum Beispiel eine Insel in den Bahamas kaufen würdest, könntest du sie alle mitnehmen.«
»Natürlich hast du recht, Gigi; es gibt Lösungen für diese alberne Situation, in der ich bin, und ich werde eine finden. Ich versuchte bloß, dir zu zeigen, daß großer Reichtum seine Schwierigkeiten mit sich bringt. Die einfachste Lösung könnte sein, daß ich noch einmal meinen Namen ändere und zu einem Schönheitschirurgen gehe.«
»O nein, du solltest dein Gesicht nicht verändern
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