Das geschenkte Leben
zu konzentrieren. Was soll es also sein, Partner? Für uns hat es immer nur vier Hauptthemen gegeben: Geld, Sex, Krieg und Tod. Alles andere waren Nebensächlichkeiten. Welches wählen wir also? Richtig! Du hattest recht, Eunice; ich bin ein schmutziger alter Mann. Sag mir, Mädchen, waren diese Muscheldinger ein Büstenhalter oder bloß Farbe auf deiner Haut? Über dieses Ding habe ich nicht wenig gegrübelt – hätte dich fragen sollen. Ruf mich an und sag es mir. Entschuldige, Kind, ich kann dir die Wellenlänge nicht sagen; sie ist nirgends verzeichnet … Teufel, sahst du gut aus!
Versuchen wir eine andere Erinnerung. Nein, keine Angst, Eunice, ich vergesse dich schon nicht, aber ich habe leider nie etwas mit dir angestellt. Schauen wir mal nach, mit wem wir etwas angestellt haben? Vielleicht die Allererste? Nein, das hast du ziemlich verbockt, du ungeschickter Tropf. Die Zweite? Äh ja, Mrs. Wicklund. Vorname? Habe ich den überhaupt je gekannt? Mit Sicherheit habe ich sie nie damit angesprochen, weder vorher noch nachher.
Mal sehen, ich war vierzehn, vierzehneinhalb, und sie muß ungefähr … fünfunddreißig gewesen sein? Ich erinnere mich, wie sie einmal erwähnte, sie wäre seit fünfzehn Jahren verheiratet gewesen, also war sie wohl fünfunddreißig, oder etwas darüber. Jedenfalls war sie die erste Frau, die mich wollte, mir zu verstehen gab, daß sie mich wollte, und alles für die nötige Gelegenheit in die Wege leitete.
Gott segne Ihre großzügige Seele, Mrs. Wicklund! Wenn Sie irgendwo dort draußen in der Dunkelheit sind – denn Sie müssen lange vor mir gestorben sein – hoffe ich, daß Sie sich an mich erinnern und genauso glücklich darüber sind wie ich über meine Erinnerungen an Sie.
Jetzt die Einzelheiten. Ihre Wohnung war direkt unter unserer. Sie gaben mir einen Vierteldollar (viel Geld, fünf Cent waren damals üblich), um für Sie einkaufen zu gehen. Was sollte ich besorgen? Wie gut ist dein Gedächtnis, du geiler alter Bock? Korrektur: geiler alter Geist. Womit soll ich eigentlich jetzt noch geil sein? Aber egal, ich bin’s! Also, ein halbes Pfund gekochten Schinken, einen Beutel Kartoffeln, ein Dutzend Landeier (sieben Cent für das Dutzend – lieber Himmel!), ein Brot und – noch etwas. Ach ja, weißes Nähgarn aus dem Laden neben Mr. Gilmores Drugstore. Mrs. Baums Laden – hatte zwei Söhne, einer wurde im Ersten Weltkrieg getötet und der andere entwickelte sich zu einem bekannten Elektronikfachmann. Doch zurück zu Ihnen, Mrs. Wicklund.
Sie hörten, wie ich mein Rad im Flur abstellte und öffneten die Tür. Ich trug die Einkäufe in die Küche. Sie bezahlten mich und boten mir heiße Schokolade an – warum war ich nicht nervös wegen Mama? Pop war zur Arbeit und Mr. Wicklund ebenfalls, das war also kein Problem – aber wo war Mama? Ach ja, bei ihrem Nähkränzchen.
Und während ich Kakao trank, kurbelten Sie ihren Plattenspieler an und legten Musik auf. Genau, ›Margie‹ hieß das Stück. Sie fragten mich, ob ich tanzen könnte. Und dann haben Sie es mir beigebracht – auf dem Sofa.
Der diensttuende Arzt, der den Enzephalographen überwachte, bemerkte eine Zunahme der Gehirnaktivität, folgerte, daß der Patient ängstlich sein könnte, und entschied sich für ein Beruhigungsmittel. Johann Smith, um den Genuß seiner Erinnerungen gebracht, schlummerte sanft ein, ohne es zu wissen.
*
Irgendwann wurde ihm bewußt, daß er nicht länger völlig von allen Wahrnehmungen abgeschnitten war. Sein Kopf ruhte auf etwas, sein Mund war unangenehm trocken und fühlte sich an, als sei er mit dem Zeug vollgestopft, das Zahnärzte ihren Opfern zwischen Wangen und Kiefer schieben. Er war noch immer von völliger Schwärze umgeben, aber es war nicht mehr ganz still. Ein saugendes Geräusch …
Jede Sinneswahrnehmung war höchst willkommen. Johann schrie: »Hurra! Ich habe es überlebt!«
Der Pfleger, dem um diese Zeit die Überwachung der Geräte oblag, sprang so schnell auf, daß er seinen Stuhl umwarf. Dann faßte er sich, schaltete die Sprechanlage ein und rief: »Der Patient versucht zu sprechen! Doktor Brenner!«
Eine Minute später kam Dr. Brenner ins Krankenzimmer. »Bin schon da. Verständigen Sie Doktor Hedrick und Doktor Garcia.«
»Sofort!«
Johann sagte: »He, verdammt noch mal! Ist niemand da?« Die Worte kamen als unverständliche Grunzlaute heraus. Der Arzt beugte sich über ihn. »Mr. Smith, können Sie mich hören?«
Der Patient grunzte und
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