Das Gesetz der Balance - chinesisches Gesundheitswissen für ein langes Leben
gesunde Qi ist das sogenannte »heteropathische Qi«. Es handelt sich dabei um schrägläufiges, den Interessen des Organismus zuwiderlaufendes Qi, das durch Infekte und Entzündungen in den Körper eindringt. Heteropathisches Qi ist quasi ein ungebetener Beifahrer, der uns während der Fahrt ins Lenkrad greift. Unser Immunsystem hat die vordringliche Aufgabe, den Organismus zu jeder Zeit vor dem Eindringen solcher negativen Kräfte zu schützen, die den Qi-Fluss irritieren oder fremdbestimmen.
Prinzipiell ist jede immunologische Auseinandersetzung ein existenzieller Konflikt und gefährdet die Autonomie des Qi. Aus diesem Grunde sollten wir es wie die Chinesen halten und auch leichte Infekte ernst nehmen.
DAS BLUT »XUE«
Analog zu Yang und Qi wirkt in unserem Organismus ein weiteres Kräftepaar, nämlich Yin und Blut. Wie das Yang beschreibt auch das Yin eine Kapazität. In diesem Fall ist es die Summe an Ordnungs- und Wachstumskräften, die unser Organismus umfasst. Inwieweit er diese Kräfte tatsächlich umsetzen kann, hängt von seinem »Xue« ab.
»Xue« bedeutet wörtlich übersetzt »Blut«.
Nanu, wundert sich der Europäer, was hat hier das Blut zu suchen? Nun, wenn wir Blut nur als den roten Saft in unseren Adern begreifen, dann fällt das Verständnis schwer. Aber lassen Sie uns in vergangene Jahrhunderte zurückblicken – in der damaligen Auffassung vom Blut finden sich deutliche Parallelen zum chinesischen Verständnis von Xue.
Früher galt das Blut nämlich als Zeichen für Vitalität, Temperament und stoffliche Fülle.
Aus dieser Zeit stammen Begriffe über Blutqualität, wie z. B. »heißblütig« oder »vollblütig«. Wenn wir einen Menschen als »heißblütig« bezeichnen, so meinen wir ja nicht seine Körpertemperatur, sondern sein vitales Temperament. Oder ein »blutarmer« Charakter ist für uns ein eher schwacher Zeitgenosse, der nicht gerade vor Leben sprüht.
Somit war auch bei uns der Begriff »Blut« zuständig für Struktivität, für die Kräfte des Yin, die sich in einem belastbaren, kraftvollen und gut gebauten Organismus niederschlagen.
UNSERE WACHSTUMSKRÄFTE
So wie wir Kräfte haben, die uns tatkräftig oder bewegungsfreudig werden lassen, so haben wir innere Wachstumskräfte.
Aus unserer heutigen, von Anatomie geprägten medizinischen Sicht assoziieren wir mit Blut die rote Flüssigkeit, die in einem den ganzen Körper umfassenden »Straßensystem« von Blutgefäßen fließt. Der chinesischen Medizin geht es eher darum, wie aus dieser Flüssigkeit materielles Wachstum entsteht.
Erinnern wir uns daran, dass unser Organismus in einem ständigen Wandel begriffen ist.
Permanent werden Zellen abgebaut und durch neu entstehende ersetzt. Yin-Struktivität ist die Fähigkeit, aus einer Fülle angebotener Nährstoffe und Einzelteile unterschiedliche Zellen und Organe entstehen zu lassen. Dies kann unser Organismus, weil er entsprechende Baupläne gespeichert hat, die es ihm erlauben, die richtigen Bestandteile an der richtigen Stelle zu verankern. Diese logistische Gesamtleistung wird mit dem Begriff »Blut« beschrieben.
VERSORGUNG MIT NÄHRSTOFFEN
Zur Verdeutlichung möge uns die moderne Form der Ondemand-Lagerhaltung dienen, die heutzutage bei vielen Firmen, z. B. im Automobilbereich, eine feste Lagerhaltung abgelöst hat. Ein zentrales Warenlager verbraucht viel Platz, liegt weit vom Kunden entfernt und erfordert zahlreiche Kleintransporte. Schneller und effektiver sind dezentrale, mobile Teillager, die in den einzelnen Filialen die erforderlichen Kleinteile bei Bedarf (»on demand«) abliefern. Dieses System gewährleistet eine zeit- und bedarfsnahe Versorgung und das Zentrallager kann klein gehalten werden.
Eigentlich ist diese Strategie der Natur abgeschaut. Denn genauso macht es unser Organismus. Unser Blut ist nichts anderes als der Lastwagen, der durch den Organismus zirkuliert. Es hält bei der Nierenzelle und sagt: »Ich hätte da ein bisschen Sauerstoff, wie wär’s? Oder brauchst du ein bisschen Kalium?« Bei jeder Zelle lädt das Blut die Bausteine und Nährstoffe ab, die dort gerade notwendig sind.
Aber dieses struktive Warenlager zirkuliert nicht nur im Bereich der Blutbahnen, sondern auch im Endstrombereich, wo längst keine Blutgefäße mehr vorhanden sind. Es versorgt den gesamten Körper – von den Haaren bis zu den Fußnägeln – genau mit dem, was er braucht.
Dahinter steckt eine hoch komplizierte Logistik. Denn der Bedarf wechselt in den
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