Das Gesetz der Freiheit
Schaden nicht sein.“ Flehend blickte er den Uniformierten an. „Seien Sie doch so freundlich, meine Fabrik anzurufen. Lassen Sie sich mit meinem Partner verbinden. Er heißt Bender. Sagen Sie ihm, er soll mir sofort einen Wagen schicken, der mich hier abholt. Notieren Sie sich die Nummer: Zentrum AH 2453.“
„Sie sind also Geschäftsmann?“ Mit deutlicher Mißbilligung spuckte der Wachmann vielsagend aus und packte seinen Stock ein wenig fester. „Halten Sie mich eigentlich für einen ausgemachten Idioten? Glauben Sie, ich würde meine Zeit mit einem Ferngespräch verplempern? So, und nun, Freundchen, sehen Sie zu, daß Sie auf die Beine kommen.“
„Ferngespräch? Was für einen Unsinn reden Sie denn da? Ich zahle Ihnen das Hundertfache der Gebühr eines Ortsgespräches.“ Ein wenig fassungslos blickte Dell den Wachmann an. „Denken Sie doch einmal nach! Bestimmt haben Sie meinen Namen schon gehört. Ich heiße Weston, Dell Weston, bin Fabrikant und produziere in meinem Werk hier in der Stadt Kokain. Ganz bestimmt haben Sie doch von mir gehört!“
„Weston – vollkommen unbekannt!“ brummte der Mann ungerührt. „Wofür Sie sich halten, weiß ich nicht, und was Sie glauben, ebensowenig. Aber vermutlich hat der Schlag auf den Kopf Sie doch ein bißchen durcheinandergebracht. Nein, den Namen Dell Weston habe ich nie im Leben gehört, und die Hauptstadt, die das Telefonamt-Zentrum hat, ist mehr als dreitausend Kilometer von hier entfernt. So, sind Sie nun beruhigt? Machen Sie endlich, daß Sie fortkommen!“
Voller Wut und Ungeduld packte er Dell unsanft bei den Schultern und riß ihn auf die Beine. Er versetzte ihm einen Schubs und deutete mit seinem langen Stock auf eine enge Gasse. „Scheren Sie sich hier aus dem Revier!“
Benommen wankte Dell auf den Eingang der schmalen Gasse zu. Die Knie waren wie aus Gummi, und die Kopfwunde brannte wie Feuer. Nach ein paar Schritten konnte er nicht mehr weiter. Er blieb stehen und warf einen Blick zurück auf den belebten Platz hinter sich, wo schwitzende Männer Ballen auf Lastwagen luden und im Schein hellglänzender Bogenlampen schwer schufteten und sich unter den strengen, forschenden Augen des aufmerksamen Wachtpostens ängstlich duckten.
Hier durfte er nichts anderes als Mißtrauen und Argwohn erwarten.
Er rang seine Schmerzen nieder und ging entschlossen mit schweren Schritten weiter auf die enge Gasse zu, die offenbar eine der Begrenzungen des bewachten Gebietes war. Bald legte er wieder eine Pause ein, lehnte sich erschöpft gegen die grobe Ziegelmauer, preßte die Stirn gegen die feuchte glatte Fläche und zwang sich dazu, seine Lage zu überdenken.
Diese Lage war gewiß verzweifelt.
Ein Fremder war er in einer fremden Stadt. Er besaß kein Geld und sah keinerlei Möglichkeit, sich mit irgend jemand in Verbindung zu setzen, der ihm helfen konnte.
Irgend jemand hatte ihm durch schwere Schläge die Besinnung geraubt, ihn durch Betäubungsmittel in diesem leblosen widerstandslosen Zustand gehalten und ihn in eine Stadt geschafft, die dreitausend Kilometer von seinem Lebensbereich, wo er bekannt war, entfernt lag. Wer mochte das gewesen sein?
Er glaubte es zu wissen.
Bender war der einzige Mensch auf der Welt, der von einer solchen Tat etwas zu gewinnen hatte. Diebe hätten ihn nicht mit Rauschgift narkotisiert, sie hätten ihn einfach tot oder besinnungslos in der Gasse liegengelassen und hätten sich gewiß nicht die Mühe gemacht, ihn so weit wegzuschaffen. Nein, nur sein Partner konnte das getan haben. Und Dell ahnte den Grund.
Sein Tod hätte in der Hauptstadt erhebliches Aufsehen erregt, und Bender wäre unter allen Umständen Gefahr gelaufen, wegen Bruches des Ethischen Kontraktes angeklagt zu werden. Ein paar Halunken zu dingen und ihnen aufzutragen, den Feind niederzuschlagen, auszurauben und hilflos in der Fremde auszusetzen. Auf diese Weise durfte Bender sich mit Aussicht auf Erfolg einreden, seinen Partner nicht getötet zu haben und nicht eigentlich schuld an seinem Tode zu sein.
Schweiß brach ihm aus und rann über seine Stirn, während Dell sich noch immer schlaff gegen die feuchte, kalte Ziegelmauer lehnte.
Jawohl, niemand anders als Bender hatte ihm dies eingebrockt. Sein eigener Geschäftspartner, sein Kompagnon, hatte ihm das angetan, um des Geldstroms willen, der unbedingt in aller Kürze fließen würde, sobald man nur das Kokain ungehindert in alle Richtungen strömen ließ. Für ihn sprach sowohl das Urteil des
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