Das Gesetz der Freiheit
einzigen Abzugshebel, und wenn ein Magazin leergeschossen ist, wird das nächste automatisch in den Verschluß eingeführt.“ Er zog das Schloß mehrmals hin und zurück und führte den Magazinwechsel vor. „Mit einer solchen Waffe fällt es sogar einem schlechten Schützen leicht, sein Ziel zu treffen.“
„Ich nehme sie“, entschied Dell. „Würden Sie sie für mich laden?“
„Einen Augenblick, Sir!“ Der junge Wächter nahm die Waffe und streckte dem Händler die Hand entgegen. „Sie werden erlauben, daß ich die Waffe lade und einschieße?“
„Natürlich! Ein Schießstand ist hinter dem Haus.“
Als der Wachmann wieder in den Laden zurückkam, schien er zufrieden und schaute Dell mit einem Kopfnicken an.
„Wirklich eine gute Waffe.“
„Wieviel kostet sie?“ Dell rümpfte die Nase, als er den Preis hörte, aber er zahlte und nahm noch eine Schachtel Munition dazu. Dann ließ er die geladene Pistole hinter seine Schärpe gleiten. Er zog sich den Mantel fest um die Schultern und trat auf die Straße hinaus.
„Bitte, gehen Sie jetzt nach Hause!“ befahl er dem Wachposten. „Sparen Sie sich alle Worte – ich weiß schon, was Ihre Pflicht ist. Aber ich möchte nun wirklich allein sein. Wenn Sie darauf bestehen, kann ich Ihnen ja schriftlich bestätigen, daß Sie mich auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin alleingelassen haben.“
„Aber Herr …“
„Gehen Sie schon!“ knurrte Dell wütend. „Es ist mein voller Ernst.“
„Na schön, Herr Weston. Wie Sie wünschen.“ Der Mann holte aus einer Tasche unter seinem Mantel eine Ledermappe hervor und legte Dell eine vorgedruckte Bescheinigung vor, die der Geschäftsmann mit Unterschrift und Fingerabdruck versah. Nach einem Blick auf seine Armbanduhr, vermerkte er auch noch den Ort und den genauen Zeitpunkt.
„Soll ich Ihnen vielleicht einen Wagen besorgen, Herr Weston?“ fragte der junge Mann höflich.
„Für mich nicht, danke! Aber Sie können für sich selbst einen kommen lassen – ich bezahle die Fahrt.“ Dell unterdrückte ein Lächeln, als er den besorgten Ausdruck im Gesicht des verdutzten Wachmannes bemerkte. Schon rollte der herangewinkte Wagen vor, bekümmert und zögernd kletterte der Posten hinein, und im Nu raste das Gefährt davon. Dell lächelte hinter ihm her und atmete erleichtert auf. Wie unsagbar schön war es, nicht mehr den ständig anwesenden Schatten hinter sich zu fühlen, endlich einmal allein zu sein!
Eine ganze Zeit lang wanderte er durch die Straßen und drang tiefer und immer tiefer in den armseligeren Teil der Stadt ein. Hier wohnten die Arbeiter, die Taglöhner, die Bettler und die verkommenen Elemente.
An einer Straßenecke gab es einen Menschenauflauf; ein ganzes Rudel von Männern und Frauen sammelte sich um einen Redner, der auf einem grob zusammengehauenen Podest stand.
Verblüfft stellte Dell fest, daß da oben auf dem Podium eine Frau stand, eine junge Frau mit langem, schwarzem Haar.
„Ich rufe euch alle auf“, rief die Frau mit gellender Stimme, „macht endlich Schluß mit diesem schrecklichen, widerlichen Handel! Macht es euch etwa Freude, zuzusehen, wie eure Frauen und Kinder der Geldgier der Fabrikanten und Händler aufgeopfert werden? Wollt ihr denn nichts unternehmen, um diesen schrecklichen Handel zu unterbinden?“
Ein Mann, der dicht neben Dell stand, spuckte aus und zog eine halbe, arg zerdrückte Zigarette aus der Tasche. Er zündete sie an, und der vertraute Duft von Marihuana wehte durch die regennasse Luft.
„Blödsinniges Volk!“ giftete er sich. „Könnt ihr denn eure Nasen nicht in die eigenen Dinge stecken?
Warum bringt denn eigentlich niemand diese Antis zum Schweigen? Immer müssen sie gegen irgend etwas sein; dauernd wollen sie uns einreden, wie wir eigentlich leben, was wir tun müßten.“
Er torkelte davon, murmelte noch weiter zusammenhanglose Worte vor sich hin, und die Augen glänzten starr unter der lähmenden, berauschenden Wirkung des Giftes.
Dell schüttelte sich angewidert und ging eilig davon.
Plötzlich blieb er stehen, blickte sich erstaunt um und versuchte zu begreifen, wo er sich eigentlich befand.
Er wußte es nicht.
Die Gegend war ihm vollkommen fremd. Eine schmale Gasse schlängelte sich zwischen hohen, fensterlosen Gebäuden im Schatten des versinkenden Tageslichtes dahin. Regenwasser rann die feuchten Wände herab, platschte aus offenen Ausflüssen und sammelte sich auf dem Zementboden des Weges in großen Pfützen. Er runzelte die Stirn,
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