Das Gesetz der Knochen: Thriller (German Edition)
Nummernschloss ein.
»Bitte setzen Sie das Museum nicht in Brand. Das brauchen Sie nicht zu tun.« Ihre Stimme hatte fast einen flehentlichen Ton angenommen. Sie fragte sich, ob sie für ihn nicht nur schwach und erbärmlich klang.
»Das habe ich gar nicht vor.«
»Was ist dann mit der Beleuchtung los?«
Er zeigte erste Anzeichen von Ungeduld. »Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass ich mit dem Licht nichts zu tun habe. Warum machen Sie nicht endlich …«
Emery hörte mitten im Satz zu sprechen auf. Diane schaute ihn an. Er stand regungslos da, hielt die Pistole auf sie gerichtet und schien völlig fassungslos. Sie kannte diesen Gesichtsausdruck von irgendwoher. Als er zu Boden fiel, entdeckte sie auf Emerys Gesicht denselben Ausdruck, den sie damals bei Mike gesehen hatte, als dieser niedergestochen worden war.
45
D iane war vor Verwirrung und Angst wie gelähmt. Der 1,93 Meter große Leiter der Sicherheitswache ihres Kriminallabors lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden und rührte sich nicht mehr. Auf dem Rücken seines Jacketts zeigte sich ein nasser, dunkler Fleck. An seinem bisherigen Platz stand jetzt ein viel kleinerer Mann. In der rechten Hand hielt er ein Messer, von dem noch Emerys Blut tropfte. Der unangenehme Geruch, den sie bereits früher bemerkt hatte, erfüllte nun die Luft. Nicht einen einzigen Moment glaubte sie, dass sie nun gerettet sei.
Eine kalte Furcht ergriff Dianes Herz, schlimmer noch als die, die sie vor Emery empfunden hatte. Eine regelrechte Urangst begann von ihr Besitz zu ergreifen. Es war ihr, als ob kein Mensch, sondern ein Dämon vor ihr stünde, der plötzlich aus den Tiefen des Museumsuntergeschosses aufgetaucht war.
Er war schmutzig. Sie konnte es sehen und riechen, aber es war nicht nur sein Körper. Noch ein anderer Geruch haftete an seiner dunklen, schäbigen Kleidung. Seine Jacke, die früher einmal die Jacke eines Wollanzugs gewesen zu sein schien und deshalb für die hiesigen Temperaturen viel zu warm war, trug er wohl schon so lange, dass sie sich seinem Körper angepasst hatte und fast zu einer zweiten Haut geworden war. Aber es waren nicht sein übler Geruch, die abgerissene Kleidung oder sein kurzes, schmieriges Haar, sondern seine Augen, die ihr die meiste Angst einjagten. Sie waren mattschwarz, fast tot, sie wirkten nicht wie die eines Menschen. Ihnen fehlte jedes menschliche Gefühl.
Sie hatte einst in die Augen von Ivan Santos geblickt, des Mannes, der während seiner Schreckensherrschaft ihre Tochter, ihre Missionsfreunde und Hunderte andere abgeschlachtet hatte.
Sie dachte damals, sie habe den Teufel gesehen. Aber wenn sie nun diesen Mann ansah, wurde ihr klar, dass sie in Santos’ Augen damals nur dessen arroganten, selbstsüchtigen Hass und Zorn erblickt hatte. Santos war böse, aber dieser Mann, der jetzt vor ihr stand, war etwas anderes, etwas, das noch darüber hinausging.
Wenn man ihm in die Augen sah, blickte man in ein trübes, schwarzes … Nichts.
»Wer sind Sie?« Diane hatte ihre Stimme teilweise wiedergewonnen. Sie klang zittrig, aber verständlich.
Er starrte sie eine ganze Weile an. Diane schaute auf das Messer in seiner Hand. Seine Finger. Die Fingerspitzen seiner linken Hand waren auf eine eigentümliche Weise verformt, und die Nägel waren dick und gespalten, einige von ihnen fehlten ganz. Ein Finger seiner rechten Hand war regelrecht verkrüppelt, und an dieser Hand trug er einen Ring mit einem roten Stein.
Blitzartig fügte sich in Dianes Geist eines zum andern. Endlich fiel ihr ein, was ihr schon so lange im Hinterkopf gesteckt hatte, woran sie sich aber nicht hatte erinnern können: Der blutrote Ring und deformierte Finger des Mannes, den die Odells auf dem Begräbnis gesehen hatten, und der Tonabdruck vom Einbruch in Nevas Haus, der diesen verkrüppelten Finger zeigte. Die Spuren hatten auf denselben Mann hingedeutet, aber sie hatte das bis zu diesem Augenblick übersehen. Er hatte Nevas Wohnung verwüstet. Er hatte sie und Mike auf der Beerdigung mit dem Messer angegriffen.
Aber wer war er, und welches Motiv hatte er für seine mörderischen Taten?
Diane versuchte, ganz langsam die restlichen Zahlen ins Schloss einzutippen. Sie hoffte, dann ins Gewölbe flüchten, dessen Tür verschließen und um Hilfe rufen zu können. In diesem Moment stach er auf ihre Hand ein. Sie zog sie blitzschnell zurück, so dass seine Klinge ihre Finger gerade noch verfehlte. Sie wich zurück und hielt Ausschau nach einem Tisch, hinter den
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