Das Gesetz der Knochen: Thriller (German Edition)
Tombsberg-Gefängnis war eine weit überbelegte Strafanstalt. Es gab im ganzen Land wohl kein zweites Gefängnis, in dem derartig schlimme und beklagenswerte Zustände herrschten.
»Ich komme morgen so früh wie möglich nach Birmingham.«
»Mein lieber Mann«, sagte Star, als Diane den Hörer aufgelegt hatte. »Ich habe dich noch nie jemanden anschreien hören.«
»Unglücklicherweise enden Gespräche zwischen mir und meiner Schwester meistens so.«
»Ich bin froh, dass ich keine …« Star beendete den Satz nicht. Ihre fröhliche Miene verdunkelte sich plötzlich. »So habe ich das nicht gemeint.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Diane kniete sich neben sie hin und umarmte sie. »Das ist schon in Ordnung, Star. Ich weiß, was du gemeint hast. Du kannst deinen Bruder immer noch lieben und vermissen, ohne ewig um ihn trauern zu müssen.«
Star schluchzte einen Moment und entzog sich dann Dianes Umarmung. »Ich vergesse das Ganze manchmal und dann fühle ich mich schuldig. Jay war so ein braver Junge. Ich war doch das schwarze Schaf, und ihn hat man ermordet.«
Diane fuhr ihr übers Haar und legte eine Hand unter ihr Kinn. »Es war nicht deine Schuld.«
»Manchmal fühlt es sich so an.«
»Ich kenne dieses Gefühl. Ich fühle genauso, wenn es um meine Tochter geht … Wenn ich sie doch nur rechtzeitig aus dem Land geschafft hätte.«
Star wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Das mit ihr tut mir leid. Onkel Frank hat mir erzählt, dass sie Musik mochte.«
»Sie liebte Musik.« Jetzt traten Diane Tränen in die Augen. Frank hatte Star bestimmt von der Spezial-CD mit der Lieblingsmusik ihrer Tochter erzählt, die Diane für sie hatte machen lassen.
Diane rieb sich mit den Fingerspitzen die Augen. Sie beide auf dem Boden sitzend und weinend, das hatte ihr gerade noch gefehlt.
»Erzähle mir von deiner Schwester. Ist sie älter oder jünger als du?«, fragte Star schnell.
»Älter.«
»Du bist die kleine Schwester? Du wirkst nicht wie eine kleine Schwester.«
»Nun, ich bin es. Ich bin drei Jahre jünger als sie.«
»Anscheinend versteht ihr euch nicht allzu gut.«
»Das stimmt.« Diane setzte sich wieder aufs Sofa und biss noch einmal in ihre Pizza. Sie war kalt.
»Habt ihr euch auch schon als Kinder gestritten?«
»Ja. Sie und ihre Freundinnen wollten mich immer piesacken. Aber ich war schneller, stärker und klüger als sie. Susan brachte sich gern selber in Schwierigkeiten und schob es dann auf mich. Das klappte auch eine ganze Weile ganz gut.«
»Und dann?«
»Dann begann ich Beweise zu sammeln. Mann, das hatte ich ganz vergessen.«
»Was hast du gemacht?«
»Ich glaube, ich war damals acht Jahre alt; Susan war elf. Sie und ihre Freundinnen spielten heimlich mit Mutters Make-up und Schmuck herum. Dann erzählte sie Mutter, ich hätte das ganze Puder über ihre Garderobe verstreut und ihre Lippenstifte ruiniert. Sie wusste allerdings nicht, dass ich mir dieses Mal den brandneuen Camcorder meines Vaters beschafft, mich im Schrank versteckt und sie gefilmt hatte. Als mir dann Susan das Chaos, das sie und ihre Freundinnen hinterlassen hatten, in die Schuhe schieben wollte, schob ich einfach die Kassette in den Video-CD-Player.« Diane lachte. »Du hättest ihr Gesicht sehen sollen.«
»Und dann wurde sie und nicht du bestraft«, sagte Star.
»Ja, sie bestraften sie, weil sie gelogen hatte. Aber mich schickten sie zur Untersuchung zu einem Kinderpsychologen.«
»Dich? Warum denn das?«
»Aus irgendeinem Grund hatte ihnen mein Verhalten Angst gemacht. Der Psychologe meinte dann allerdings, dass ich einfach nur klug und einfallsreich sei und dass sie sich keine Sorgen machen sollten.«
»Das war clever. Also warst du schon als Kind in der Verbrechensbekämpfung tätig. Ich wette, das hat auf deine Schwester einen großen Eindruck gemacht.«
»Sie nahm sich danach etwas zurück, und meine Eltern glaubten ihr nicht mehr automatisch alles, wie sie es zuvor getan hatten. Aber mir haben sie danach auch nicht mehr richtig getraut. Dass ich meine Schwester heimlich aufgenommen hatte, hatte sie irgendwie verletzt.«
»Also hattest du keine so großartige Kindheit?«
»So schlimm war es nun wieder auch nicht. Ich verbrachte viel Zeit bei meinen Großeltern. Ich ging immer mit meinem Großvater angeln. Er hat mich auch als Erster in eine Höhle mitgenommen.«
Diane war überrascht, wie leicht es ihr fiel, mit Star über ihre Familie zu reden. Vielleicht weil Star ähnliche
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