Das Gesetz der Knochen: Thriller (German Edition)
rufe mich morgen früh an, wenn du aufstehst.« Diane zog Jackett und Bluse aus.
»Ich trage etwas Betadine auf die Wunde auf.« Susan schaute Diane an und runzelte die Stirn. »Das soll nicht weh getan haben, als es passiert ist?«
»Ich hatte das Gefühl, mir einen Muskel gezerrt zu haben. Es waren viele Menschen da, und meine Aufmerksamkeit war abgelenkt.«
Susan verschwand ein paar Minuten und kam dann mit einer Flasche Betadine und einigen Wattestäbchen zurück.
»Ich kann immer noch nicht glauben, dass dich Alan derart hart angefasst hat«, sagte Susan, als sie sich neben Diane aufs Bett setzte. »Diane, als du mit Alan verheiratet warst, hat er dich da …«
»Misshandelt? Nein. Er hat nur versucht, mir seinen Willen aufzuzwingen.«
»Mutter und Dad hätten ihm aus leidvoller Erfahrung sagen können, dass das bei dir nicht klappen würde.«
Diane lächelte sie an. »Wenn etwas nicht nach seinem Willen ging, begann er zu schmollen. Das nützte natürlich auch nichts. Am liebsten war es mir, wenn er überhaupt nicht mehr mit mir sprach, denn oft versuchte er auch, mich mürbe zu machen und so lange auf mich einzureden, bis ich nachgab. So wollte er mich auch dazu bringen, dass ich mein Graduiertenstudium aufgebe. Da ich auch ganz schön stur sein kann, hatten wir eigentlich ständig Streit. Aus irgendeinem Grund sperrte er mich einmal aus dem Schlafzimmer aus, weil er dachte, dies könnte meinen Widerstand brechen. Danach verbrachte ich dann eine sehr vergnügliche Nacht auf der Couch«, erzählte Diane mit einem Lachen, während sie sich leicht auf die Seite drehte, damit Susan ihren Arm behandeln konnte.
»Warum hast du ihn überhaupt geheiratet?«, fragte Susan.
Diane spürte, wie ihre Schwester die Schnittwunde mit einem mit Betadine getränkten Wattestäbchen abtupfte. Die Kühle auf der entzündeten Wunde tat ihr gut.
»Alan machte mir einen Antrag. Es war Mutters und Dads Wunsch, dass ich ihn annehme. Ich wollte, dass sie endlich einmal irgendeiner Sache zustimmten, die ich tat, deshalb nahm ich ihn dann tatsächlich an. Es war ein großer Fehler, den ich auch sofort bereute.«
Susan legte Diane einen frischen sterilen Verband an. Als sich Diane danach wieder umdrehte, bemerkte sie plötzlich, wie völlig erschöpft ihre Schwester aussah.
»Diane, ich möchte dich um einen Gefallen bitten«, sagte sie nach einer ganzen Weile in einem Ton, als ob ihr das Ganze peinlich sei. »Ich weiß, wir sind nie gut miteinander ausgekommen. Aber du warst immer sehr nett zu meinen Kindern. Du erinnerst dich an ihre Geburtstage und schickst ihnen etwas zu Weihnachten. Und du schreibst ihnen Briefe. Kayla freut sich immer riesig, wenn sie einen Brief von dir bekommt.«
»Was ist los, Susan? Ist etwas passiert?«
»Ja. Etwas ist passiert. Ich habe einen fürchterlichen Fehler gemacht und weiß jetzt nicht, was ich tun soll. Ich möchte, dass du mit Gerald redest. Er respektiert dich.«
»Ich hätte nicht geglaubt, dass jemand in dieser Familie Respekt vor mir hat.«
»Denkst du das wirklich?« Susan schaute auf das Bild eines am Waldrand äsenden Elchs, das an der Wand gegenüber dem Bett hing. »Du bist die Kluge in der Familie. Jedermann respektiert das.«
Ja, die Kluge … und Susan ist die Hübsche, dachte Diane. So hatte zumindest Dianes Mutter ihre Kinder immer beschrieben. Diane nahm an, ihre Mutter wollte damit ausdrücken, dass jede von ihnen ihre eigenen Qualitäten habe. Allerdings hatte sie selbst – und sie nahm an, auch Susan – es immer so aufgefasst, dass Diane die Hässliche und Susan die Dumme sei.
Susan musste wohl gerade dasselbe gedacht haben. »Schönheit vergeht mit der Zeit«, sagte sie. »Ich wusste das noch nicht, als ich jung war, und wenn das alles ist, was man hat …« Susan schaute auf ihre Hände und drehte den Ehering an ihrem Finger hin und her.
»Würde es etwas helfen, wenn ich dir versicherte, dass das nicht alles ist, was du hast und dass du wirklich klug bist … und immer noch hübsch? Was ist eigentlich los, Susan?«
»Letzten Silvester haben Alan und ich uns geküsst. Es war völlig bedeutungslos. Ich weiß nicht einmal, warum ich es überhaupt getan habe. Das war alles. Ehrlich. Es ging nie über diesen einen dummen Kuss hinaus.«
»Hat Gerald es gesehen oder was?«
»Nein. Alan« – sie spuckte diesen Namen aus, als schmecke er bitter – »Alan hat es ihm heute Morgen erzählt.«
»Warum?«
»Ich weiß, du hältst Alan für einen guten
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