Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
mochte solche Orte. Sie waren sein Lieblingsmotiv.
»Verkauf es, wenn du meinen Rat hören willst«, drängte Ben. »Du hast keine Verwendung für Castle Mountain.«
»Castle was?«
»Castle Mountain. Das ist ein Berg, ungefähr in der Mitte des Gebietes.«
»Wieso wird er Castle Mountain genannt?«
Ben wandte sich ab und beschäftigte sich eine Weile damit, das Röhrchen an seinem Extraktor nach einem nur ihm bekannten Plan zu biegen. »Angeblich sieht er aus wie eine Burg. Mir hat sich diese Ähnlichkeit aber nie erschlossen.«
Alex lächelte. »Indian Rock hat auch keine Ähnlichkeit mit einem Indianer.«
»Siehst du. Genau dasselbe. Schätze, die Menschen sehen eben das, was sie sehen wollen.« Ohne sich umzudrehen, reichte er ihm die Papiere über die Schulter. »Lass das Besitzrecht auf dich überschreiben, und dann verkauf das Ganze, damit du es los bist. So lautet mein Rat, Alex.«
Alex begab sich langsam zur Treppe, während er sich alles noch einmal durch den Kopf gehen ließ. Dann blieb er stehen und wandte sich herum zu seinem Großvater.
Ein düsterer Ausdruck hatte sich über Bens Züge gelegt. »Das ist eines dieser Dinge, von denen ich eben sprach, Alex, eines dieser Dinge, die keinen rechten Sinn ergeben.«
Alex wurde nachdenklich. Dies war nun schon das zweite Mal an diesem Tag, dass er diesen abweisenden Blick zu sehen bekam. »Danke für deinen Rat, Ben.«
Sein Großvater wandte sich wieder seiner Lötarbeit zu. »Be-dank dich nicht, es sei denn, du nimmst den Rat auch an. Solange du ihn nicht annimmst, sind es nichts als Worte.«
Alex nickte gedankenversunken. »Ich gehe jetzt Mom besuchen.«
»Grüß sie von mir«, murmelte Ben, ohne sich umzudrehen.
Sein Großvater besuchte seine Schwiegertochter nur selten, ihm war der Ort verhasst, wo man sie eingesperrt hatte. Alex mochte den Ort ebenso wenig, aber immerhin wohnte seine Mutter dort, und wenn er sie besuchen wollte, hatte er keine andere Wahl.
Alex betrachtete den Briefumschlag in seiner Hand. Eigentlich hätte ein so unerwartetes Geburtstagsgeschenk ihn glücklich machen sollen, doch das tat es nicht. Es erinnerte ihn bloß an seinen verstorbenen Vater und an seine Mutter, die er an eine andere Welt verloren hatte.
Jetzt hatte ihn diese unvermutete Verbindung zur Vergangenheit eingeholt.
Sachte strich er mit dem Finger über den vom Alter ausgetrockneten, auf seinen Vater ausgestellten Adressaufkleber. Der Name war mit verblasstem Bleistift durchgestrichen, darüber stand in der gleichen nahezu unleserlichen, gespenstischen Bleistiftschrift der Name seiner Mutter. Ihr Name war mit einem dunklen, markanten Strich in schwarzer Tinte durchkreuzt.
Darüber war in der Handschrift seines Großvaters zu lesen: ›Alexander Rahl‹.
Als Alex den Treppenabsatz erreichte, meinte er aus den Augenwinkeln jemanden zu sehen.
Er wandte sich herum, nur um sein Konterfei im Spiegel ihm entgegenstarren zu sehen.
Einen Moment lang hielt er dem Blick stand, dann klingelte
sein Handy. Als er dranging, waren nur seltsam gurgelnde Laute zu hören, ein körperloses, aus der Tiefe der anderen Seite des Universums kommendes Geflüster. Er blickte auf das Display. KEIN NETZ war dort zu lesen. Bestimmt hatte sich jemand verwählt. Er klappte das Handy zu und steckte es in die Tasche.
»Alexander.«
Alex wandte sich herum und wartete.
»Ärger wird dich finden.«
Alex belächelte das nur zu bekannte Mantra seines Großvaters. Es war als ein in eine Mahnung zur Wachsamkeit gekleideter Ausdruck der Liebe und Fürsorge gemeint. Die vertraute Bemerkung bewirkte, dass er sich besser fühlte, und bestärkte ihn in seiner Entschlossenheit.
»Danke, Ben. Wir unterhalten uns später.«
Alex nahm das Gemälde an sich, das er aus der Galerie mitgebracht hatte, und stieg die Treppe hoch.
6
Alex hatte Glück: Sein Jeep Cherokee sprang gleich beim ersten Versuch an.
Nach der langen Fahrt bis in den älteren Teil der Innenstadt von Orden, Nebraska, parkte er kurz vor dem Ende einer abschüssigen Seitenstraße. Auf diese Weise konnte er den Jeep, falls er nicht ansprang, rollen lassen, bis der Motor sich starten ließ.
In diesem älteren Viertel der Stadt gab es außer auf den baumbestandenen Straßen kaum Parkmöglichkeiten. Gemessen an den Anforderungen eines Krankenhauses, von denen das Bereitstellen von Parkplätzen nur eine war, war die Anstalt schon
seit langem veraltet, weshalb man sie in eine private Irrenanstalt umgewandelt hatte: Mutter der
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