Das Gesetz der Neun - Goodkind, T: Gesetz der Neun - The Law of Nines
Taschenmesser, Wechselgeld und Handy in eine Plastikschale auf dem Tisch neben dem Metalldetektor warf. Nachdem er diesen passiert hatte, ohne den Summer auszulösen, gab ihm ein älterer Sicherheitsbeamter, der Alex ebenfalls kannte, aber nicht lächelte, Handy und Kleingeld zurück. Das Messer und die Schlüssel würde er aufbewahren, bis Alex wieder ging. Selbst Schlüssel konnten einem Besucher entwendet und als Waffe benutzt werden.
Alex beugte sich über den Stahltresen hinter dem Detektor und nahm einen billigen blauen, mit einem speckigen Faden am Besucherverzeichnis befestigten Plastikkuli zur Hand. Der Faden stellte die größte Sicherheitslücke im gesamten Gebäude dar. Doris, die Frau hinter dem Tresen, kannte ihn. Das Telefon mit der Schulter ans Ohr gedrückt blätterte sie in einem Hauptbuch und beantwortete Fragen wegen irgendwelcher Wäschelieferungen.
Als er nach dem Eintragen seines Namens aufsah, lächelte sie ihn an. Sie war all die Jahre immer freundlich zu ihm gewesen und hatte Mitleid mit ihm, weil er seine Mutter an einem solchen Ort besuchen musste. Alex nahm den einzigen Aufzug, der bis in den neunten Stock hinauffuhr. Die grünen Metalltüren waren ihm verhasst, die Farbe in horizontalen Streifen von dagegenstoßenden Handwagen so abgewetzt, dass das schmutzige Metall durchschimmerte. Es roch staubig. Er kannte jedes Scheppern und Klappern, das er auf dem Weg nach oben von sich gab, vermochte jeden Wackler während seines mühsamen Aufstiegs exakt vorherzusagen.
Ruckelnd kam der Aufzug zum Stillstand und öffnete sich endlich gegenüber der Schwesternstation des neunten Stocks. Auf der einen Seite führten verschlossene Türen in den Frauenflügel, auf der anderen in den der Männer. Alex trug sich abermals in eine Liste ein und schrieb die Zeit daneben: drei Uhr nachmittags. Besucher wurden peinlich genau überwacht. Wenn er nachher ging, musste er sich unter Angabe der Uhrzeit wieder austragen. Die obere Aufzugtür blieb stets verschlossen und wurde niemals ohne ein vollständig abgezeichnetes Ein- und Ausgangsformular aufgesperrt – eine Vorsichtsmaßnahme gegen Patienten, die sich wortgewandt an einem weichherzigen neuen Angestellten vorbeizuschmuggeln versuchten.
Aus einem kleinen Büro an der Rückseite der Schwesternstation trat ein Krankenpfleger in weißen Hosen und Kittel und zog seine Schlüssel hervor, die an einer dünnen, bis zu seinem Gürtel reichenden Drahtspule befestigt waren. Der Pfleger, ein großer, stets leicht gebeugt gehender Mann, kannte Alex. So ziemlich jeder, der in der Anstalt arbeitete, kannte ihn.
Der Pfleger warf einen Blick durch das kleine Fenster in der massiven Eichentür, dann drehte er, zufrieden, dass die Luft rein
war, den Schlüssel im Schloss herum. Mit einem Ruck zog er die schwere Tür auf.
Er gab Alex den Plastikschlüssel für den Summer auf der anderen Seite. »Klingeln Sie einfach, Alex, sobald Sie fertig sind.«
Alex nickte. »Wie geht es ihr?«
Der Pfleger hob seine rundlichen Schultern. »Unverändert.«
»Hat sie Ihnen Ärger gemacht?«
Der Pfleger hob eine Braue. »Vor ein paar Tagen hat sie versucht, mich mit einem Plastiklöffel zu erstechen. Gestern ist sie über eine Schwester hergefallen und hätte sie bewusstlos geschlagen, hätte nicht zufällig ein anderer Pfleger ein paar Schritte entfernt gestanden.«
Alex schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Henry.«
Der Pfleger gab sich gelangweilt. »Gehört zum Job.«
»Ich wünschte, ich könnte sie dazu bringen, dass sie damit aufhört.«
Mit einer Hand hielt Henry die Tür auf. »Können Sie nicht, Alex. Sie trifft keine Schuld; sie ist krank.«
Das Grau des Linoleumbodens im Flur war durchsetzt mit dunkleren grauen Wirbeln und grünen Sprenkeln, die dem Ganzen vermutlich einen gewissen Reiz verleihen sollten. Alex konnte sich nichts Hässlicheres vorstellen. Das Licht der Glasveranda weiter vorn spiegelte sich auf dem geriffelten Boden und ließ ihn beinahe flüssig aussehen. Die in gleichen Abständen angeordneten Zimmer zu beiden Seiten hatten lackierte Eichentüren mit silbernen Beschlägen aus Metall; keine einzige besaß ein Schloss. Hinter jeder dieser Türen wohnte jemand.
Schreie aus den Dunkelzimmern hallten durch den Flur. Aufgebrachte Stimmen und lautes Rufen waren hier an der Tagesordnung – Streitgespräche mit nur in der Fantasie existierenden Personen, von denen einige der Patienten besessen waren.
Die Duschen auf der Rückseite der Toiletten wurden
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