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Das Gesetz Der Woelfe

Titel: Das Gesetz Der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Rusch
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Lorenzo, der Bäcker gegenüber, der kein Schutzgeld mehr hatte bezahlen wollen, oder Pino della Guardia, dessen Kiosk abgebrannt war und den man eines Morgens als verkrümmtes, schwarz verkohltes Männchen, von der Hitze auf die Größe eines Kindes zusammengeschrumpft, aus den schwelenden Trümmern gezogen hatte. Die Fesseln an den Händen und Füßen waren das Einzige an ihm, das nicht verbrannt war, sie waren aus dünnem Draht, damit kein Zweifel daran bestehen konnte, dass dieser Tod kein Unfall war. Und später konnte man in der Zeitung lesen, dass er noch gelebt hatte, als das Feuer ausbrach. Mimmo stellte sich vor, wie er dort gelegen haben musste, auf dem Boden in seinem engen kleinen Kiosk, neben ihm die frischen Zeitungsstapel, die rosarote Gazzetta dello Sport und La Repubblica und natürlich der Calabrese . Sie alle hatten schnell Feuer gefangen, alles nur Papier um ihn herum und dann die Fahnen, die von der Decke hingen: Lazio Rom, Juventus Turin. Wie Fackeln würden sie gebrannt haben, und der stinkende Rauch war Pino della Guardia in die Lungen gedrungen, lange bevor das Feuer begonnen hatte, an seinen Gliedern, seinen Kleidern, seinen Haaren zu lecken. Wahrscheinlich war er da schon bewusstlos gewesen. Mimmo hoffte es jedenfalls, denn die Vorstellung, Pino sei bei vollem Bewusstsein verbrannt, die Ahnung seiner Schmerzen, seiner Schreie, die niemand an diesem frühen Morgen gehört hatte, oder hören hatte wollen, verursachten ihm Übelkeit.
    Alle kannten die Geschichten, bei denen es so angefangen hatte: Verklebte Klingelknöpfe, Müll vor den Stufen, eine tote Ratte an die Tür genagelt. Und die scheelen Blicke derer, von denen man nicht wusste, ob sie dazugehörten oder ob man sich alles nur einbildete. Alles Warnungen, die man ernst nehmen musste.
     
    Mimmo schloss die Augen, als Salvatore begann, ihn einzuseifen. Er liebte die Kühle auf seiner Haut und den Geruch nach Minze. Vielleicht war er nur zu nervös. Der Junge, er hatte ihn durcheinandergebracht, hatte alles wieder hochgespült von damals. Wie er ihn angesehen hatte, vorwurfsvoll. Als trage er die Schuld am Tod seines Vaters. Als habe er ihn umgebracht. Doch das war ja nicht wahr. Er trug nicht die Schuld. Sie hätten ihn auf jeden Fall umgebracht, Raffaele de Caprisi stand schon lange auf der Liste. Mimmo Battaglia hätte ihn nicht retten können. Selbst wenn er ihn gewarnt hätte. Dann hätten sie ihn eben das nächste Mal umgebracht. Wem hätte das genützt? Niemandem. Man kann ihnen nicht entkommen. Er trug nicht die Schuld. Wie oft hatte er sich das eingebläut in den vergangenen Jahren, wenn ihm Zweifel gekommen waren, wenn diese hässliche leise Stimme ihn quälte, versuchte, ihm einzureden, er habe die Wahl gehabt. Doch es war nicht wahr. Er hatte keine Wahl gehabt.
    Sie hatten ihn nach der nächsten Tour gefragt, die er und Raffaele machen würden. Von diesen Ausflügen wussten immer nur die zuständigen Journalisten und Fotografen, und das auch erst einen Tag vorher. Zu groß war die Gefahr, dass etwas ausgeplaudert würde. An diesem Vormittag wollten sie Eusebio Salinas treffen, den Direktor der Banca Italia in Reggio Calabria, der angeblich Informationen über die Geschäfte von Orazio Sant’Angelo, dem berüchtigten Paten der’Ndrangheta hier in der Region hatte und den Raffaele de Caprisi seit Jahren mit unbeschreiblicher Hartnäckigkeit verfolgte. Mimmo Battaglia hatte selbst erst am Abend zuvor von dem genauen Ziel erfahren, einer kleinen Bar unten am Hafen. Sie hatten ihn angerufen und danach gefragt. Aber sie hatten schon so vieles gewusst. Im Grunde hatte er nur mit Ja oder Nein antworten müssen. Und am Ende hatten sie gemeint, es wäre besser, er würde heute zuhause bleiben. Er hatte gehorcht und sich krankgemeldet.
    Die Bombe war in dem Moment gezündet worden, als Raffaele de Capeisi unten am Hafen auf den Parkplatz fuhr. In Mimmos Gedächtnis war von diesem Tag einzig und allein das Bild der verheerenden Explosion übrig geblieben, das er später in der Zeitung gesehen hatte. Es hatte alles andere ausgelöscht. Von da an hatte Mimmo Battaglia seine Seele verloren. Stück für Stück die ganzen vergangenen Jahre. Ein durchaus angemessener Preis für den Verrat eines Freundes, höhnte die kleine hässliche Stimme, und in seinen schwarzen Stunden, in denen es ihm nicht gelang, die Schuldgefühle zu unterdrücken, musste Mimmo ihr recht geben.
    Ein paar Monate später hatte sich eine größere Überweisung auf

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