Das Gesetz Der Woelfe
lässt, erstarrt wie das Kaninchen vor der Schlange, oder aber, ob man etwas tut , selbst wenn es nur etwas ganz Winziges ist. Wenn jemand ihr wirklich etwas antun wollte, dann würde wohl weder die Glühbirne noch das Spray eine echte Hilfe sein, aber darum ging es gar nicht. Sie hatte einfach keine Lust, sich einschüchtern zu lassen. Sie wollte es nicht. Clara weigerte sich, diesem Unbekannten, diesem Unsichtbaren so viel Raum in ihrem Leben einzuräumen. Und deshalb würde sie auch heute wieder U-Bahn fahren. Um nichts in der Welt wollte sie diesem Barletta die Genugtuung verschaffen, sie eingeschüchtert zu haben. Während sie mit festen Schritten die Treppe zum Bahnsteig hinunterging, hoffte Clara für einen Augenblick fast, er wäre in der Nähe und würde sie sehen. Schau nur her, du Idiot, dachte sie grimmig, so schnell kriegst du mich nicht klein.
Als sie jedoch in den Zug stieg, begann ihre Selbstbeherrschung etwas zu wanken. Sie biss sich auf die Lippen und umklammerte Elises Halsband. Der alte Platz an der Ecke neben der Tür kam nicht mehr in Frage, also blieb Clara einfach in der Mitte des Ganges stehen und hielt sich mit der freien Hand an der Stange fest. Tief atmend schloss sie die Augen. Elises warmer Hundekörper schmiegte sich an ihre Beine, fast so, als wolle sie ihr Halt geben. So überstand sie die Fahrt leidlich gut, und als sie nach zwei Stationen wieder an die Oberfläche trat, ballte sie heimlich beide Hände zur Faust. Geschafft. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen.
Linda erwartete sie schon. Als Clara zur Tür hereinkam, sprang sie auf und lief ihr mit einem Zettel wedelnd entgegen. »Gerade eben hat jemand für Sie angerufen, Frau Niklas!«
»Erst mal guten Morgen, Linda.« Clara hängte die Leine und ihren abgetragenen, zimtfarbenen Ledermantel, der schon bessere Zeiten gesehen hatte, an den Garderobenhaken neben der Tür und tätschelte Elise liebevoll den graugestromten Nacken. Die Dogge fuhr ihr mit ihrer großen hellrosa Zunge übermütig ins Gesicht und nahm mit einem missglückten Galoppsprung die drei Stufen zu Claras Schreibtisch auf einmal. Bevor Clara ihrer Entrüstung über den feuchten Kuss Ausdruck verleihen konnte, saß die Verantwortliche bereits unschuldig auf ihrer zerfledderten grünen Matratze hinter Claras Schreibtischsessel. Clara wischte sich mit dem Handrücken über ihr nasses Gesicht und lächelte glücklich. Die Erleichterung darüber, dass sie ohne nennenswerte Probleme wieder mit einer U-Bahn gefahren war, und der Gedanke an ihre große Hündin, die wie ein Blindenhund nicht von ihrer Seite gewichen war, machte sie sanft und friedlich und ließ sie für einen Augenblick Linda und ihr Anliegen ganz vergessen. Ein leises Räuspern holte sie in die Kanzlei zurück, und sie drehte sich zerstreut nach ihrer Sekretärin um. »Äh, ja?«
Linda musterte sie mit einem etwas befremdeten Gesichtsausdruck, und Clara wurde sich bewusst, dass sie für Außenstehende womöglich etwas lächerlich gewirkt hatte, wie sie dümmlich grinsend mit feucht gelecktem Gesicht mitten im Raum stehen geblieben war und ihrem Hund nachgestarrt hatte. Während sie sich Mühe gab, ihre Autorität wieder zurückzugewinnen, und energisch die Schultern straffte, fiel ihr Blick auf Lindas wie immer tadelloses Aussehen, und sie verkniff sich einen Seufzer, der sowohl ihrer eigenen, ganz und gar nicht tadellosen, zerknitterten Leinenhose, der zipfeligen Hippiebluse und den ausgetretenen, staubigen Schuhen galt, zum anderen aber auch Lindas so offensichtlichem wie vergeblichem Bemühen um Willis Aufmerksamkeit.
Linda trug, wie es sich für eine Anwaltssekretärin gehörte, ein dunkelgraues Kostüm und eine weiße Bluse, was bei jedem anderen seriös und etwas langweilig gewirkt hätte. Nicht so bei ihr. Der wadenlange Rock war hauteng und an beiden Seiten hoch geschlitzt, ohne dabei ordinär zu wirken. Die taillierte Jacke brachte jede von Lindas ansehnlichen Kurven zur Geltung, und die hauchdünne Bluse darunter schien keine Knöpfe zu haben: Der Ausschnitt wand sich verführerisch zwischen dem modisch breiten Jackettkragen in ungeahnte, honigbraune Tiefen. Irgendwo dazwischen blitzte ein kleiner Diamant an einer dünnen Kette auf, während Linda mit wehendem Silberhaar und auf hochhackigen Pumps auf ihre Chefin zugeeilt kam.
Clara hatte sich schon oft gefragt, wie lange Willi wohl den geballten Verführungskräften der jungen Frau noch widerstehen konnte. Er schien seltsam resistent
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