Das Gesetz des Irrsinns

gutgehn!
    Noch schlimmer ist ja der Kaltenbrunner! Ab und zu musste ich ihm bei einem Termin die Hand reichen. Was sag ich: Hand?! Pranke, eine Pranke, groß wie ein Klosettdeckel! Dieser Österreicher, zwei Meter hoch, einen breit, und obendrauf so ein Gusseisenschädel – der als Chef des RSHA ?! Wenn die Zeiten kritisch werden, sitzt der bereits morgens um elf beduselt im Büro, stiert glasig vor sich hin. Der Ochse kann wohl nur zusammenhängend denken, wenn er sich was hinter die Binde gekippt hat. Sofern das nicht reicht für einen Schriftsatz – er hat schließlich seine wissenschaftlichen SS -Kameraden, die beraten ihn, leisten ihm Formulierungshilfen diverser Art, allen voran Obersturmbannführer von Kielpinski; was der verfasst hat, wird von Kaltenbrunner bloß noch unterschrieben. Aber souverän, scheinbar souverän sitzt der Gestapochef in seinem Riesenbüroraum, hält eine von den hundert Tageszigaretten zwischen den Fingern – sind schon völlig gegerbt, tiefstes Gelbbraun. Kein Wunder bei all der Qualmerei, dass ihm die Zähne ausfallen. Soviel Körper und so wenig Zähne! Himmler soll ihm mal den Befehl erteilt haben, einen Zahnarzt aufzusuchen – scheint aber nicht viel gebracht zu haben. Jedenfalls, wenn der in Rage gerät und er stößt seine Verwünschungen und Verfluchungen aus in finsterstem Wienerisch, da zeigt sie sich, die ganze Lückenpracht! Und eine Fahne, Riesenfahne von Schnaps und Rauch – wie aus einem Flammenwerfer!
    Und Göring ging, schritt, stampfte auf und ab, hin und her, vor und zurück. Es musste viel Bordeaux fließen, begleitet vom Vertilgen einer Tafel Beute-Schokolade, um RM wenigstens leiser zu stimmen, und er ließ sich in einen der elefantösen Sessel sinken.

    Der Morgen danach: es wurde eine Kopie des Filmes besorgt und im Hauskino projiziert. Nicht einmal Sie, Herr Major, auch nicht Kollegen im Forschungsamt, werden den Film zur Kenntnis genommen haben beim spukhaft kurzen Auftauchen in der Öffentlichkeit, also darf ich das Handlungsgeschehen, besser: die fortlaufende Verhinderung von Handlung rasch skizzieren.
    Im Mittelpunkt des hauptsächlich unterhaltenden Spielfilms die Besatzung der He 45 : Flugzeugführer, Beobachter, Funker, Bordschütze.
    Die Männer erhalten vom Staffelführer den Auftrag, in Berlin-Staaken die neue Mühle abzuholen und zum Feldflughafen in Frankreich zu überführen. Der Auftrag ist mit einigen Tagen Aufenthalt in Berlin verbunden, sprich: Urlaub. Rasch finden sich Mädels ein zum Flirt. Dabei verlieben sich zwei Mann in dieselbe Frau – Ansatz zu privaten, allerdings lösbaren Konflikten unter Kameraden.
    Die »Mühle« wird zum Fliegerhorst Reims überführt, startet dort zur operativen Lichtbilderkundung englischer Häfen: Portland, Poole, Arne-Bay, Christchurch. Die LB -Grobauswertung, sodann Feinauswertung wird lehrfilmartig vorgeführt, begleitet vom Gesprächsgeplänkel der Auswerter nebst spöttisch anerkennenden Anmerkungen zur Besatzung Dora, vor allem nach dem Abschuss einer Spitfire durch den Bordschützen: Dem Tommy hat der Arsch gequalmt …
    Der Aufenthalt in der Etappe wird versüßt durch l’amour: französische Varianten von Wiener »süßen Mädels«, von Hascherln.
    Die schöne Zeit der französischen Etappe, angereichert durch Aufklärungsflüge, findet ihr Ende mit dem »Unternehmen Barbarossa«. Nun werden Fernaufklärungsflüge an der Ostfront notwendig; Start auf dem Feldflugplatz vor Smolensk.
    Bei einem der Flüge gerät der Bordfunker, ein Bauernsohn, ins Schwärmen: Raus aus der atembeklemmenden Enge im Reich … Generalplan Ost … Großer Siedlerzug … Kommende Ostsiedlung … Er zeigt sich begeistert über die Fruchtbarkeit der Region, will mit der Verlobten dem Ruf Folge leisten! Die Kameraden lassen sich von seiner Begeisterung anstecken, sehen den Funker schon über weite Ländereien reiten. Und im neu errichteten Bauernhaus, ja Bauernhof wächst die Kinderschar …
    Mit dem Untergang der 6 . Armee in Stalingrad: eine erste Schnittauflage. Himmlers Traum von der germanischen Besiedelung des Ostraums war geplatzt, das Projekt durfte vom Bordfunker nicht mehr erwähnt werden, diese Szene musste der Schere zum Opfer fallen. Begründung: Die veränderte Kriegslage …
    In einer weiteren Produktionsphase sollte Fernaufklärung über Italienisch-Nordafrika, über der Front in Libyen gefilmt werden. Geplant war eine Notlandung der Maschine in der Wüste infolge Maschinenschaden (Sand im Vergaser?) und