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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Auswertungsabteilung steht leer, die Funk-Erfassungsstelle steht leer, es findet keine Rundfunküberwachung statt, keine Briefüberwachung, keine Überwachung des Fernschreib- und Telegrammverkehrs, vergeblich leuchten rote Lämpchen auf in der Erfassungsabteilung, das FA ist für drei lange Tage enthauptet.
    Und wir Dienststellenleiter, wir Erfasser, wir Kryptologen klaubten Kartoffeln. Konnten zur Abwechslung tief durchatmen. Ich muss gestehen: Dort draußen in Beelitz habe ich so fest, so tief geschlafen wie schon lange nicht mehr, wir wurden nicht einmal geweckt von einem der notorisch lästigen Mosquitobomber.
    Untergebracht waren wir in Klassenzimmern, mussten frühmorgens die Strohschütten abräumen, tagsüber wurden die Räume von Schülern benutzt. Immerhin wurden wir nach dem Wehrmachtssatz verpflegt.
    Sehr zufrieden war der mit dem Goldenen Verwundetenabzeichen freigestellte Bauer mit uns »Arbeitern der Stirn« allerdings nicht; letztlich aber waren wir ihm wiederum lieber als Fremdarbeiter Ost, also fiel schon mal was ab für uns: Kartoffelpuffer, Kartoffelpürree, sogar mit Speckanteil. Und wieder rin in die Kartoffeln!
    Dass wir mit unserer Hände Arbeit ganze Säcke füllen können, ein derart gewichtiges Erfolgserlebnis hatten wir bisher noch nicht. Wird Himmler darauf drängen, dass wir auch Sommer 44 aufs Land gekarrt werden, etwa um Kartoffelkäfer zu sammeln? Wir zuletzt, erfolgsgeschwellt, mit Einmachgläschen voll zermanschter Schädlinge?
    Wie auch immer – jetzt weiß ich endlich, was Volksgemeinschaft bedeutet. Mit außerdienstlichem Gruß W. R.

    Lieber Borowski, in unserer Erfassungsabteilung klinken sich, im Schichtdienst, mittlerweile drei Mann ein beim Anschluss Harlan. Das folgende Telefonat wurde stichwortartig mitstenographiert.
    Anrufer in der Tannenbergallee war Jesco von Puttkamer, Marineadjutant des Führers. Ihn hatte Korvettenkapitän Reichardt, FA -Amtsleiter unserer Chiffrier- und Horchleitstelle, auf das Filmprojekt hingewiesen.
    Gelegentlich überrascht uns Reichardt (früher in der FunkErfassungsstelle der Marine) mit Nachrichten, die fast chiffriert klingen. Als er letzthin bei mir reinschaute, erwähnte er die Neuentwicklung einer »Geräuschstörboje« namens Sigmund, die durch ihre Knallfolge feindliche Hörgeräte taub werden lässt. Wiederum soll es einen »Geräuschtäuschkörper« namens Brunhilde geben, der die »Schallabstrahlung« eines schnorchelnden U-Boots imitiert, damit den Feind vom eigentlichen Ziel ablenkt, wozu auch ein schwimmendes Scheinziel aus speziell beschichtetem Gummi beitragen soll. Ende der Randnotiz.
    Und gleich zum Telefonat, das für RM von Interesse sein könnte. Von Puttkamer drängte darauf, bei den zurzeit offenbar anlaufenden Dreharbeiten die Marine angemessen zu berücksichtigen. Immerhin gelangen viertausend Seekadetten der Kolberger Schulungsstätte zum Einsatz, junge Männer, die speziell in der Erkennung gegnerischer Sonar- und Radarpeilung von U-Booten ausgebildet werden – in Anbetracht der extrem hohen Verlustquote der U-Boot-Waffe eine Aufgabe von höchster Dringlichkeit; dennoch die Freistellung der Seekadetten.
    Dies aber, im Gegenzug, mit Erwartungen: Die Marine soll in diesem Film Flagge zeigen. Es folgte der Hinweis, dass Kolberg bereits zur Napoleonzeit eine bedeutende Hafenstadt gewesen sei, somit wäre vollauf motiviert, einen Großsegler in das filmische Geschehen einzubeziehen: Ein Dreimaster ankert auf der Reede von Kolberg, legt womöglich an der Mole an, ein Trupp geht an Land, zur Verstärkung der Verteidiger.
    Harlan, dem ranghohen Fernsprechteilnehmer gegenüber ausnahmsweise nicht ruppig, nur kurz angebunden: Er sei in diesem Film der historischen Wahrheit verpflichtet.
    Gerade dann, so Puttkamer, müsse die (damalige) Marine stärker zur Geltung kommen. Die erfolgreiche Verteidigung von Kolberg sei nicht allein Bürgerschaft und Garnison zu verdanken, die Marine hätte durch den Antransport von mehreren hundert Mann einen wesentlichen Beitrag zum Ausharren geleistet. So sei es nicht mehr als recht und billig, dies filmisch in adäquater Form zum Ausdruck zu bringen.
    Darauf Harlan: Mit Blick auf den gegenwärtigen Zustand der Kriegsmarine sei es recht schwierig, eine »adäquate Form« der Präsentation zu entwickeln.
    Volltreffer mittschiffs!

    Lieber Borowski, hier folgen weitere Überwachungsergebnisse, frei zu eventuellem Rapport vor RM .
    In meiner Abteilung leuchtete bei Erfasser 32 gleich die erste

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