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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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übernommen. Diese Angaben erfolgen für den Fall, dass RM auf Berichten und Meldungen aller fünf Dienststellenleiter bestehen sollte.
    Neuer Absatz, neuer Ansatz: Fortführung unseres Faszikels in Sachen D r G / VH .
    Stichwort für das heutige Begleitschreiben: Erneute Intervention von Produktionsleiter W. M. Sperber beim Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Mein Bericht ist in dieser Form weniger zum Vortrag vor Reichsmarschall Göring geeignet, hat für uns eher Protokollfunktion, dies für eventuell spätere Verwertung oder Umsetzung, wann und wie auch immer.
    Was sich in einem der mitgeschnittenen und im Abhörprotokoll wiedergegebenen Telefonate bereits andeutete, hat sich bewahrheitet: Das Heerlager von Filmstatisten (und Pferden) bei Kolberg ist von russischer Luftaufklärung geortet worden. Nicht nur die Massierung von Zelten und Baracken wird der sowjetischen LB -Auswertung aufgefallen sein, es dürfte vor allem die – entgegen der Frühjahrswitterung – geweißte Mole des Kolberger Hafens gewesen sein: Tonnenweise war Speisesalz aufgeschüttet worden, um in nachgeholten Dreharbeiten den Winter (anno 1806 / 7 ) vorzutäuschen. An die hundert Waggons Salz sollen diversen Verpflegungsdepots entnommen und in Kolberg und Umgebung ausgestreut worden sein; der Bevölkerung von Pommern dürfte damit bis auf weiteres eine salzarme Zukunft bevorstehen.
    Der sowjetischen Luftaufklärung folgte ein erster Angriff von drei LAGG s; Schüsse aus Bordkanonen, nur geringe Wirkung. Und doch wurde umgehend Vorsorge getroffen: Zwei Flakbatterien wurden vom ohnehin weitflächig zertrümmerten Köln abgezogen und auf Schiene gesetzt. Ein Anflug von zwei Stormowiks konnte wenig später durch Sperrfeuer abgewehrt werden. Mit ihren Raketen-Splitterbomben in den Gleitschienen hätten die schwergepanzerten Schlachtflugzeuge ein wahres Gemetzel in Komparserie und Technik anrichten können.
    Dennoch: der in Köln amtierende und residierende Gauleiter Grohé bestand, nach dem hundertsoundsovielten Terrorangriff auf die Domstadt, ultimativ auf Rückführung der Flakbatterien zum Schutz der Stadt am Rhein. Wie Sie über die Sonder-Fernsprechleitung noch vor uns im Amt erfahren haben dürften, sah das OKL (in seiner Verpflichtung zum Schutz der Heimat) keine andere Möglichkeit, als die Flak von Kolberg wieder abzuziehen.
    Somit ist die dortige Fortführung der Dreharbeiten hochgradig gefährdet. Die Kavallerie- und Infanterieangriffe der napoleonischen Armee auf die von Wassergürtel und Ostsee geschützte Festungsstadt konnten zwischenzeitlich noch gefilmt werden, die weitreichende Zerstörung der Innenstadt durch französischen Mörserbeschuss hingegen ließ sich noch nicht filmisch umsetzen.
    So fiel der Entschluss, die Filmproduktion im Reichsinneren fortzusetzen. Nach diversen Vorbesichtigungen traf Harlan die Entscheidung, den Marktplatz und einige Straßenzüge der Kolberger Innenstadt im Havelland rekonstruieren zu lassen, genauer: westlich von Groß-Glienicke. Was die Zeitplanung erneut durcheinanderbringt: Nach den Wintermalaisen nun die Verlagerung von Technik und Komparserie westwärts. Damit dürften weitere Wochen verlorengehen – die geplante Filmpremiere im Herbst dieses vermaledeiten Jahres 44 wird sich weiterhin verschieben.
    Schließlich müssen für den Nachbau des Stadtkerns von Kolberg umfangreiche Arbeiten in Holz ausgeführt werden. Zur Nachgestaltung von Hausfassaden müssen zudem enorme Mengen an Hartpappe und Pappmaschee angeliefert werden, was ebenfalls auf Widerspruch und Grenzen stößt. Mit Nachdruck wird seitens der zuständigen Dienststelle geltend gemacht, dass Hartpappe in riesigem Ausmaß gebraucht wird für mittlerweile fensterscheibenlose Straßenbahnen, Omnibusse, Eisenbahnwagen, für fensterscheibenlose Häuser, Hausreihen. Soviel Pappedeckel ist noch nie gebraucht worden, wir sind eine Nation von Pappenheimern geworden, deren Verluste nicht von Pappe sind. Auch die Einsprüche, Verzögerungen, Verhinderungen sind nicht von Pappe, doch die zuständigen Pappkameraden – na, und so weiter, Dampf ist abgelassen, weiter im Text!
    Nüchtern betrachtet: Auch der Nachbau des Stadtinneren von Kolberg, samt Marienkirche, setzt beträchtliche Nachbesserungen des Etats voraus, der ohnehin ein Mehrfaches bisheriger UFA -Spitzenproduktionen beträgt. Hinzu kommen die Transport-, Unterbringungs-, Ausstattungs- und Verpflegungskosten für die ›ausgeliehenen‹ Infanteristen und

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