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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Ton in der Mannschaft; es wird geraucht und getrunken, da löst sich so manche Zunge.
    Dies auch bei Hauptmann Peschke, 2 . Kompanie des Pionierbataillons 47 . Er fühlte sich erst einmal bemüßigt klarzustellen, dass er als Pionier nicht zuständig sei für die Piff-paff-puff-Wölkchen vor und über Kolberg eins und zwo, das haben die Pyrotechniker besorgt; hingegen: »Wo wir arbeiten, da fliegen die Brocken!« Wiederum wäre falsch, sich vorzustellen, Pioniere würden hauptsächlich Brücken sprengen und Ersatzbrücken bauen, »notfalls produzieren wir auch Kampfmittel«. Zur Überraschung der Gruppe stellte sich heraus, dass Peschke im Kessel von Stalingrad gewesen und mit einer der letzten Maschinen ausgeflogen worden war.
    Auch er: mit seinem Trupp beteiligt am Straßen- und Häuserkampf. Da wurden nicht nur Sprengfallen eingerichtet, es mussten auch Minengürtel gelegt werden in umkämpften Straßen. Nun erfolge in der Kampfzone jede Bewegung unter Feindeinsicht – wie also Minen verlegen? Und wie verhindern, dass die frühzeitig geortet werden?
    Peschke berichtete: Auch in Stalingrad waren die Straßen mit Häuserschutt bedeckt, mit Ziegelsteinen, Dachpfannen und so weiter; das machte man sich zunutze. Er ließ die Holzkästchen, in denen Schützenminen transportiert und gelagert waren, mit Leim bestreichen, Ziegelmehl wurde drübergestreut, schon sahen die Kästchen aus wie größere Ziegelsteine. Zusätzlich wurden Kanten angebrochen, so war die Täuschung perfekt.
    Wie aber die ›Ziegelsteine‹ unter Feindeinsicht auf Straßen auslegen? Auch hier wusste er Rat. Stalingrad an der Wolga, also sei vor dem Krieg sicherlich viel geangelt worden, demnach müssten sich in der einen oder anderen Wohnung Angelruten auftreiben lassen – was auch der Fall war. Nachts wurden daraufhin Ziegelminen aus Kellerfenstern und Kellerluken, aus Fenstern und von Balkons herab mit Angelruten ausgelegt.
    Da die gesamte Kompanie an der Fertigung der explosiven Ziegelsteine beteiligt war, konnten schließlich Tausende platziert werden. »Die Wirkung war entsprechend!« Was auch für die Resonanz in der Zuhörergruppe galt: Minen als Ziegelsteine getarnt, mit Angeln aus Ruinenlöchern ausgelegt – Tusch und Toast mit Gläsern und Flaschen! Peschke musste Zugaben liefern.
    Granatwerfer aus Ofenrohren gefällig? Aus Konservendosen gefertigte Munition? Das funktionierte eher schlecht als recht, also zogen Pioniere los zu systematischer Suche und wurden fündig: Ein kleines Depot russischer Granatwerfer, allerdings ohne Richtaufsätze, ohne Munition. Glücklicherweise hatten die Werfer das gleiche Kaliber wie die 8,8 . So wurden in Flakstellungen Kartuschen eingesammelt und mit Pulver aus reichlich herumliegenden russischen Blindgängern gefüllt, auch wurden Bomben- und Granatsplitter beigemischt.
    Schließlich waren auch diese Bestände aufgebraucht, Munition konnte kaum noch eingeflogen werden, also mussten sie dazu übergehen, Sprengstoff herzustellen. Das große Problem war allerdings: Sprengstoff muss flüssig gemacht werden, wobei man genau darauf zu achten hat, dass die Temperatur zuletzt zwischen 90 und 102 Grad liegt, sonst fliegt man in die Luft.
    Peschke begab sich wieder mal auf Suche und fand in einem demolierten Geschäft einen Bonbonkocher, trieb in einem ebenfalls demolierten Labor einen Temperaturfühler auf mit Geber sowie ein Dampfregelventil. Die Fundstücke schloss er an einem Niederdruck-Dampfkessel an »und die Munitionskocherei konnte beginnen«.
    Je mehr man kochte, desto laxer wurden die Vorsichtsmaßnahmen, es kam zu einer Explosion von Sprengstoffdämpfen, ein Kesselteil traf ihn schwer am Oberschenkel. Mit einer der letzten Maschinen wurde er ausgeflogen, noch 28 Verwundete mit ihm in der Ju 52 . Dass man ihm den Abtransportberechtigungsschein ausstellte, war nicht nur durch die Verwundung bedingt, es bestand und besteht dringender Bedarf an Sprengstoffexperten.
    Nach der Entlassung aus dem Lazarett gab er als Lehroffizier Erfahrungen weiter an das Pionier-Ersatz- und Ausbildungsbataillon 35 . Weil er sich auch in der Hinsicht bewährte, wurde er, als zusätzliche Gratifikation, für die Dreharbeiten freigestellt; hier sind die Konditionen für ihn geradezu urlaubsmäßig. Er hat aber das sichere Gefühl, dass man bald wieder eine frontnahe Verwendung für ihn finden wird.
    Dazu viele gute Wünsche »auf Vorrat«, ein Prosit. Als Erfolgsnummer, weiter kommentiert und belacht in der Runde: die

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