Das Gesetz des Irrsinns
Pioniere.
Zugleich geht die Zahl der zur Aufführung des K-Films geeigneten Kinos durch die Bombardierungen ständig zurück, also ist Eile geboten – spätestens Ende des Jahres (zu betonen:
dieses Jahres 1944 !
) soll der Film reichsweit zur Aufführung gelangen.
Bei Groß-Glienicke wächst notgedrungen rasch die Baracken- und Zeltstadt, was wiederum der britischen Luftaufklärung nicht verborgen bleiben wird. So haben Harlan und Sperber auch für »Kolberg zwo« Flakschutz angefordert. Nach demnächst womöglich zweihundert Angriffen auf die ohnehin umfassend zerstörte Innenstadt Kölns gibt es dort nicht mehr viel zu verteidigen, und so werden – offenbar mit Hitlers Duldung, wenn auch nicht auf seine Weisung – erneut zwei Flakbatterien im Nordwesten Kölns abgezogen und im Westen von Glienicke in Stellung gebracht.
In Anbetracht der erhöhten Brandgefahr der Holz-Nachbauten von Marktplatz und Straßen sowie der möglichen Ausweitung der Brände in den angrenzenden Waldgebieten wurden vorsorglich zwei Löschzüge aus Berlin angefordert. Es traf allerdings nur ein Trupp der Jungfeuerwehr ein, im Zustand völliger Erschöpfung von einem Lastwagen gleichsam abgeladen – mehrere Einsätze in kurzer Zeit.
Gemeinsam mit der HJ hatten die Buben im Rahmen einer Sonderaktion Feuerlöscher eingesammelt; die Minimaxe sollten konzentriert eingesetzt werden, was sich jedoch als aussichtslos, als sinnlos erwies angesichts von Häuserreihen, bei denen aus den Fenstern mehrerer Stockwerke die Flammen hochschlugen – dagegen kamen auch (vielfach reparaturanfällige) Tragkraftspitzen nicht an. Die im Schnitt etwa Vierzehnjährigen wurden anschließend dazu vergattert, mit bloßen Händen Verwundete aus Ruinen und Kellern zu bergen. Mussten sodann auf freigeräumten Trottoirs Leichen reihen, die bei oft extremer Entfaltung von (Phosphor-)Hitze brandschwarz geschrumpft waren, Erwachsene so klein wie Kinder, Kinder so klein wie Puppen.
Für die ausgepumpte Jungfeuerwehr ist der Bereitschaftsdienst bei Glienicke so etwas wie Urlaub in einem Ferienlager. Allerdings konnte währenddes hier in Berlin zwei weitflächigen Bränden noch weniger Einhalt geboten, konnten Verwundete nicht mehr rechtzeitig aus den Trümmerhalden befreit werden.
Das Eintreffen zusätzlich angeforderter Pioniereinheiten verzögert sich infolge Transport-Engpässen um Wochen, und so ruhen zeitweilig die Bauarbeiten an den Haus- und Ruinenfassaden des Kolberger Marktes. Zum Ausgleich herangezogene Arbeitskräfte aus dem Umland sind nicht nur zahlenmäßig unzureichend; sie laufen schon bei Voralarm weg. So müssen Arbeitskräfte aus dem Osten herangezogen werden, die weniger bombenempfindlich sind.
Für Schauspieler und Filmtrupps bringt die Verlagerung Kolbergs nach Glienicke allerdings willkommene Erleichterungen mit sich. Man nutzt die Gelegenheit zu Frühjahrs-Sonnenbädern in der Nähe der Glienicker Brücke – Kübelwagen übernehmen den Hin- und Rücktransport der Filmprominenz.
Da angemessene Einquartierung in Glienicke nicht immer gewährleistet ist, werden Binnenschiffe am Havelufer verankert – die Wasserstraßen sind ohnehin meist blockiert durch versenkte Leichter oder eingestürzte Brücken.
Die auf Schiffen untergebrachten Schauspieler erleben nachts starke Kontraste: Der wummernde Anflug der Bomberflotten … Der Abwurf von Bombenteppichen auf Berlin wahrgenommen wie das dumpfe Grundierungsgeräusch eines Erdbebens … Das Aufblähen rötlichen Flammenscheins am Horizont … Der sonore Klang zurückfliegender Bombergeschwader … Und wieder: Quaken von Fröschen, Rascheln von Schilf …
Reichsführer! In meiner Dienststelle treffen neuerdings Berichte ein, direkt und indirekt vermittelt, die für Stimmungslage wie für Begleiterscheinungen der wiederholt unterbrochenen Dreharbeiten zum Kolberg-Film charakteristisch sein dürften.
Es ist einem Kameraden gelungen, in den engeren Kreis von Regie und Technik aufgenommen zu werden. Er ist zuständig für die Typoskript-Reinschrift des Drehbuchs, das wiederholt geändert werden musste, sicherlich auch weiterhin geändert werden muss nach Anweisungen von Reichsminister Dr. Goebbels.
Zum gegenwärtigen Stand (vielfach Stillstand) der Dreharbeiten darf ich auf mein Schreiben vom 17 . März verweisen. Heute ein weiterer Stimmungsbericht.
Während der obligaten Drehpausen (die sich schon aus technischen Gründen relativ oft wiederholen und so rasch kein Ende finden) herrscht ein lockerer
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