Das Gesetz des Irrsinns
Pontinischen Sümpfe. Nach der LB -Auswertung hat mir der Chef Zweitabzüge auf den Schreibtisch gelegt, und ich konnte nur staunen: Wasserflächen, Wasserflächen, Wasserflächen, in unser Verteidigungssystem einbezogen. Was Mussolini trockenlegen ließ, haben unsere Pioniere wieder unter Wasser gesetzt: Die riesigen Pumpwerke wurden abgeschaltet, zum Teil gesprengt. Die abtrünnigen Italiener haben es letztlich nicht anders verdient, nach dem Krieg können die mit dem Drainieren wieder von vorn beginnen, falls an diesem beschränkt nutzungsfähigen Ackerland überhaupt noch interessiert.
Jetzt aber steht erst einmal die große Malariaschlacht bevor – und das dürfte für Sie, als vormaliges russisches Malariaopfer, von speziellem Interesse sein. Alle Erfahrungen, die unser Heer etwa bei den Pripjetsümpfen sammeln musste, unsere vorbeugenden Antimalariakuren, unsere eindeutige Überlegenheit auf chemisch-pharmazeutischem Gebiet, dies alles wird zwischen Neapel und Rom glorreich zu Buche schlagen: Die wieder einmal ahnungslosen Amerikaner werden bei ihrem ohnehin zögerlichen Vormarsch (unter Führung von General Humbug) in die Malariafalle geraten. Millionen von Malariamücken warten auf sie. Mit der erneuten »Inundation« der Ebenen sind sie wieder auferstanden, schlagartig, als hätte die Natur nur darauf gewartet, ja gelauert. Unsere Soldaten haben sich aus der unmittelbaren Gefahrenzone planmäßig abgesetzt, haben Stellungen bezogen an höher gelegenen Hangabschnitten – bereits wenige Meter Höhenunterschied können da entscheidend sein. Denn nichts fürchtet die Malariamücke mehr als frischen Wind, der von den Albaner Bergen zu deutschen Stellungen herunterweht. Diese Wohltat wird den amerikanischen Invasoren versagt bleiben, sie sind angewiesen auf die Durchquerung des Sumpfgürtels.
Sie können also vornotieren: Hochsommer 44 , Vormarsch der Amerikaner gerät ins Stocken. Tausende von US -Soldaten werden um sich schlagen, Mücken abwehrend, die sie vorab nur für lästig halten, doch sie werden rasch umlernen müssen, ganze Kompanien werden sich fiebernd dahinschleppen, müssen sich krankmelden, Feldlazarette werden sich in ungeahnten Ausmaßen ausbreiten, doch Medikamente werden vorn und hinten nicht ausreichen, sind womöglich gar nicht eingeplant. Mutter Natur wird eine wahre Wunderwaffe zum Einsatz bringen.
Und Ihr könnt in der Schorfheide getrost der weiteren Entwicklung zumindest an der Südfront entgegenblicken. Oder, wie man zu Kaiser Willems Zeiten gesungen hätte: Lieb Vaterland, magst ruhig sein …
Lieber Bor, hier eine Randnotiz zu einer Randerscheinung, die allerdings charakteristisch sein dürfte für die interne Gesamtlage.
Stichwortartig wurde ein Telefonat zwischen Harlan und Sperber aufgezeichnet: Veit hadert mit Reichsfilmintendant, Vizepräsident, Ministerialdirektor, SS -Gruppenführer Hinkel. Seit Monaten ist Frau Kristina eingebunden, vielfach in Abrufposition, bei Dreharbeiten zu
Kolberg
, hat entsprechend lang das gemeinsame Kind kaum zu sehen bekommen, wollte es, noch diesen August, mitnehmen nach Schweden, zu Premieren des Farbfilms
Opfergang
in Malmö, Göteborg, Stockholm, wollte sich in diesen drei Wochen ausgleichend dem Jungen widmen, aber Hinkel will das nicht genehmigen. Er ließ ihr schriftlich mitteilen, ihrer Reise nach Schweden stehe nichts im Wege, das Kind aber könne nicht mitkommen. Dies mit pauschalem Hinweis auf die schwierige Verkehrslage.
Harlan: Offenbar haben die Angst, meine Frau bleibt mit dem Jungen in Schweden! Dabei hat er, vorsorglich, schon mehrfach darauf hingewiesen, dass Kristina die große Rolle der Portia im Shylock-Film übernehmen soll. Nicht einmal der Hinweis auf dieses von Reichsminister Dr. Goebbels mehr oder weniger abgesegnete Projekt habe Hinkel zur Konzession bewegen können. Harlan, wütend: Ja, wo sind wir denn hier?!
Lieber Major Roggenkamp, anbei ein hausinterner Bericht zur Lage an der Westfront.
RM behält sich generell vor, die pünktlich zugestellten Zeitungen zu durchblättern, während ich im weiteren Verlauf des Frühstücks am Katzentisch stehend wiederzugeben habe, was uns vom OKW per Fernschreiben vermittelt wurde aus dem kontinuierlich fortgeführten Kriegstagebuch.
Von akuter Brisanz nun: die Belagerung von Aachen. Auch hier dürften die OKW -Berichte präziser sein als die gelenkten Pressedarstellungen. Also eine Zusammenfassung der OKW -Berichte zum Kriegsschauplatz im Dreiländereck.
Seit dem letzten
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