Das Gesetz des Irrsinns
[theol.] Alois Musil, den Titel und Charakter eines Hofrates mit Nachsicht der Taxe allergnädigst zu verleihen geruht.«
Und Musil berichtete dem deutschen Botschafter: »Infolge meiner ethnologischen Forschungen kenne ich alle in diesem Gebiet lagernden Stämme und bin mit den meisten Häuptlingen persönlich bekannt und befreundet. Im innigsten brüderlichen Verhältnis stehe ich zu dem Fürsten der Aneze, Nuri eben Scha’lan, Scheich der Ruala, mit dem ich 14 Monate in der innersten Wüste zugebracht habe. Nuri ist der mächtigste und tatkräftigste Oberhäuptling in Nordarabien und könnte im Vereine mit den übrigen Häuptlingen der Aneze 50 – 55000 mit etwa 30000 Martini-, St. Etienne- und Mausergewehren bewaffnete Kamelreiter stellen.«
Allerdings musste Musil konstatieren: »An dem Krieg in Europa nahm kein Mensch auch nur den geringsten Anteil. Auf großes Interesse stießen hingegen die Kämpfe der Türken mit den Engländern, den ›Ingliz‹, an der Grenze nach Ägypten; sie besprachen diese Ereignisse wie Kämpfe unter Beduinenstämmen, mit denen sie weiters nichts verband als die Neugier am Ausgang des Raubzuges und der möglichen eigenen, wenn vielleicht auch noch nicht wahrscheinlichen Gelegenheit zum Beutemachen.«
Weiterer Rapport: »Die Zustände im Hedschas sind so verworren, dass ich keine Lust verspüre, mich mit den von Engländern und Franzosen [mit Gold] gespeisten Herren von Mekka zu beschäftigen.
PS .: Der Titel ›Musteschar el imberaturije Muazzsam‹ hilft mir großartig. Die Häuptlinge sehen in mir den ›Berater von drei Königen‹ und fühlen sich geschmeichelt, meinen Rat ebenfalls zu vernehmen.«
Und Musil war erfolgreich. Ein chiffriertes Telegramm berichtete am 7 . März 1915 : »Hofrat Musil teilt durch k.u.k. Konsulat in Damaskus mit, dass ihm Vermittlung eines Friedensschlusses zwischen dem Fürsten an-Nuri und Eben Raschid gelungen sei, so dass die nordarabischen Stämme der Regierung Hilfe leisten können. Musil begibt sich jetzt von Ha’il, der Residenz des Eben Raschid, nach Bagdad.«
Dort bestätigte er die Erfolgsmeldung: »Meinen letzten Bericht unterbreitete ich Eurer Exzellenz [dem Konsul in Damaskus] am 28 . Februar d.J. von al-Ula an der Hedschasbahn aus, wohin ich am 27 . gelangte. Am 1 . März verließ ich al-Ula und zog wieder in die innere Wüste zurück.
Wie ich Eurer Exzellenz bereits mitgeteilt habe, gelang es mir, den Frieden zwischen dem Fürsten an-Nuri Eben Scha’lan und dem Emir Nawwaf von al-Dschof einerseits und dem Eben Raschid andererseits zu schließen und auf diese Art der türkischen Regierung mindestens 30000 Mann zu verschaffen. […]
Psychisch und physisch bin ich sehr müde, aber die erzielten Erfolge lassen mich die Müdigkeit überwinden, und Allah wird mich stärken! Während der ganzen Reise habe ich wissenschaftlich gearbeitet und ein äußerst reichhaltiges Material gesammelt – ganz neue, unbekannte Gebiete der Wissenschaft erschlossen … Könnte ich doch meinem so hart bedrängten Vaterlande noch mehr nützlich werden!«
Am 5 . Juni 1915 verließ er die arabische Halbinsel. Doch zwei Jahre später kehrte Musil für kurze Zeit zurück »für die vom k.u.k. Kriegsministerium abgehende Orientmission«. Es deuten sich wirtschaftliche Interessen an, in Konkurrenz zum verbündeten deutschen Kaiserreich.
»Durch die Tatsache der Entsendung soll das Interesse Österreich-Ungarns an dem Gedeihen der Türkei und unserer Beziehungen zu derselben von militärischer Seite betont werden. Der hierdurch erfolgende Ausdruck des gleichen Anrechtes Österreich-Ungarns und des Deutschen Reiches auf die Wirtschaftsquellen des asiatischen Hinterlandes der Türkei soll ein Glied der systematischen Tätigkeit der Orient-Abteilung sein. Es soll von militärischer Seite verhindert werden, dass aus der deutschen Arbeit in der Türkei ein Monopol des Deutschen Reiches werde. […] Zwecks Durchführung dieser Aufgaben ist taktvolles, aber sicheres Auftreten Richtschnur.«
Mit der Teilnahme seiner k.u.k. Hoheit, des Erzherzogs Hubert, sollte der Mission »besonderes Gewicht beigemessen« werden. Die eigentliche Führung übernahm k.u.k. Generaloberkriegsrat Musil, Träger zahlreicher Auszeichnungen, die etwa die Hälfte seiner Uniformjacke bedeckten. Prälat Musil war vom Kaiser persönlich befohlen worden, »während der ganzen Reise Generalsuniform zu tragen. Der Kaiser wünsche nämlich, dass die Anwesenheit eines Priesters in der Suite des
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