Das Gesetz des Irrsinns
Öffentlichkeit über den Stand unserer Bindungen in Mesopotamien vollständig aufgeklärt wird.« Man hätte noch ergänzen können, dass Lawrence einer der wenigen Zeitgenossen war, der arabische Lebensformen, Mentalitäten, Kampfesweisen nach jahrelangem Zusammenleben und zahlreichen gemeinsamen Aktionen von innen heraus kennengelernt hatte. Und damit als Berater von Politikern durchaus geeignet gewesen wäre.
Hier der erste Abschnitt des Artikels, nach neun Jahrzehnten wieder höchst aktuell. »Das englische Volk ist in Mesopotamien in eine Falle gelockt worden, aus der es nur schwer mit Würde und Ehre wieder herauskommt. Die Taschenspielerkünste, mit denen es betrogen wurde, bestanden aus einem ständigen Verschweigen der Wahrheit. Die Nachrichten aus Bagdad kommen verspätet an, sind unaufrichtig und unvollständig. Die Verhältnisse sind viel ungünstiger, als man sie uns geschildert hat, unsere Administration war grausamer und unfähiger, als die Öffentlichkeit weiß. Es ist ein Schandfleck in der Geschichte unseres Reiches, und das Übel mag bald zu sehr entzündet sein, um durch eine übliche Kur noch geheilt zu werden. Heute sind wir nicht weit von einer Katastrophe entfernt.«
Ich habe Göring schwer geschädigt. Es schien mir an der Zeit, eine gefälschte Geschichte über einen Fälscher zu schreiben, das Prinzip Fälschung konsequent umsetzend.
Zur Einstimmung ein Statement zum Thema Fälschung im Reich der Bildenden Kunst: »Die Nachfrage ist so groß, dass die Vorräte an echten Sachen nicht genügen, die Preise haben eine Höhe erreicht, dass das Fälschen eine viel einträglichere Beschäftigung geworden ist als ehrliche Arbeit.« Dies wurde vor mehr als einem Jahrhundert publiziert, im Vorwort zu: Paul Eudel,
Fälscherkünste
, Leipzig 1909 .
Gleich ein weiteres Zitat, übertragbar: »Der unternehmende Fälscher […] wird endlich zum ›schaffenden Künstler‹, indem er ganz neue Dinge im Charakter einer Kunstperiode oder eines berühmten Künstlers macht oder machen lässt und sie mit der Patina, dem Rost, dem Staube, den Spuren des Gebrauches, Verletzungen und Ausbesserungen und anderen Zeugnissen des Alters versieht.«
Auch dies als bewährtes Verfahren. In der
Schule der Malerei
von 1782 heißt es: »Die Bilderhändler lassen neue Gemälde oft beschmauchen, um ihnen in kurzer Zeit das Alter beyzubringen.«
Zwei weitere Zitate aus diesem Buch, zur Einstimmung weitergereicht. So stehen Fälschern oft Experten gegenüber mit ihrem »durch alle Fachkenntnisse getrübten Urteil«.
Vielleicht auch unter diesem Aspekt hat Sainte-Beuve angemerkt, das letzte Wort in Sachen Bildender Kunst sei die Fälschung.
Ich schrieb das Buch in einer Zeit, in der wir fast im Fortsetzungsbezug mit Fälschungen konfrontiert wurden, ständig weiter konfrontiert werden.
Fälschungen werden für uns nicht nur (indirekt) präsent in den Medien, sie kommen vielfach ins Haus, wenn auch in überwiegend plumpen Versionen. Etwa als E-Mail vom »Bundeszentralamt für Steuern«, Stichwort: Steuerrückerstattung. Da heißt es in zusammengestoppeltem Deutsch: »Nach den letzten Berechnungen des jährlichen steuerlichen Ihre Tätigkeit haben wir festgestellt, dass Sie Anspruch auf eine Steuererstattung von 223 , 56 EUR erhalten sollen.« Im Anhang ein schlichtes Formular, soll ausgefüllt werden. Als vorletzte Spalte: Kreditkartennummer. Darauf also läuft es hinaus.
Ein Beispiel für viele, die in der Mailbox landen. Sie sorgen dafür, dass bis zum Klick des Löschens das Thema Fälschung präsent bleibt. Im digitalen Ambiente ein beinah flächendeckendes Phänomen.
Mit entschieden größerem handwerklichen Können werden in öffentlich relevanten Bereichen Fakes produziert. Markenartikel von Textilien werden ebenso gefälscht wie Armbanduhren; verbrecherische Unternehmen fälschen Medikamente; Gemälde werden professionell gefälscht, mit fingierten Provenienzen versehen, mit kriminellen Methoden auf den Kunstmarkt geschleust.
Sogar im scheinbar neutralen, der Objektivität verpflichteten oder verschworenen Reich der Naturwissenschaften wird falsifiziert: es wiederholen sich Fälschungsskandale.
Rekordinhaber dürfte der japanische Anästhesist Yoshitaka Fuji sein, der unablässig Untersuchungsergebnisse produzierte und publizierte, bis das mit Publikation Nummer 212 endlich mal auffiel. Dieser Textdesigner befolgte mit radikaler Konsequenz die weltweite Devise des »publish oder perish«; sie wird
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