Das Gesetz des Irrsinns
Heimatstadt Eupen. Eine kleine Galerie; vorwiegend Verwandte, Freunde, Bekannte bei der Vernissage; es wurden sogar vier Bilder gekauft, allerdings nur von Personen meines Kreises oder Umfelds.
Ich wollte den Abnehmerkreis verständlicherweise größer sehen, arbeitete hin auf weitere Ausstellungen, nicht nur im deutschsprachigen Teil Belgiens, auch in Liège, in Antwerpen – es blieb auch dort bei relativ kleinen Galerien. Obwohl ich bei den Vernissagen anwesend war, die Resonanz blieb gering. Auch in der Presse. Dennoch, es gelang mir, die Grenze zu überwinden: eine Ausstellung in Kornelimünster, danach in Bonn und Duisburg. Doch auch in Deutschland: vorerst nur Achtungserfolge. Zumindest blieb es dabei in den Jahren 1931 und 32 . Die Perfektion meiner Malweise wurde in der Presse hervorgehoben, ja gerühmt, dennoch blieb unterschwelliger Vorbehalt.
Es war Mareike, meine erste Frau, die sich umhörte, und langsam kristallisierte sich heraus: Meine Anwesenheit bei Vernissagen war eher hinderlich als förderlich für den Absatz der Bilder. Ich sah mich mit einem klischeehaften Erwartungsbild konfrontiert: Der Subtilität der Bilder muss sichtbare Sensibilität des Künstlers entsprechen. Um dies ein wenig zu karikieren: Der Maler solcher Stilleben sollte aussehen, als wäre auch er mit einem Marder-Spitzpinsel gemalt. Nun gleiche ich in der Statur allerdings eher dem ukrainischen Maler Wladimir Burljuk, wie ihn sein Freund Larionow um 1910 gemalt hatte, großformatig: Ein Hüne in weißem, weit offnem Hemd; in der Linken eine Hantel; muskulöse Oberschenkel. Ich habe eine (schwarzweiße) Abbildung an die Atelierwand gepinnt, mit der unausgesprochenen Aufforderung an Besucher: Schaut es euch an, auch
so
kann ein Künstler aussehn!
Doch das Vorurteil hielt sich hartnäckig. Pointierend: Vor dem erfolgreichen Verkauf meiner Stilleben stand meine kompakte Erscheinung. Man traute dem muskulösen jungen Mann derart subtile Tafelmalereien ganz einfach nicht zu, hielt sich mit Käufen zurück.
Charakteristisch dürfte hier folgende Episode sein. An einem heißen Sommertag half ich in einer Galerie bei der Hängung einiger meiner Stilleben, zog dabei, mit amüsiertem Einverständnis des Galeristen, das Hemd aus. Ein vorzeitig hinzukommender, neugieriger Stammkunde wollte einfach nicht glauben, dass eine derart muskulöse Erscheinung der Maler solch subtiler Bilder sein konnte. Der Eindruck, wiederum pointierend: Wer ein so breites Kreuz hat, kann nicht mit so feinem Pinsel arbeiten. Und es sprach sich herum: Dieser »Kraftlackel« kann und darf nicht der Maler altmeisterlicher Stilleben sein. Und als bösartige Version: Ich sähe aus wie der Leibwächter eines russischen Diamantenhändlers. Der immer gleiche Vernissagen-Reflex, ausgesprochen oder unausgesprochen: »Wie, von Ihnen?! Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut!« Und es setzte sich in der Branche fest: »Ach, das ist von diesem russischen Leibwächter …« Die Schlussfolgerung: Bilder, die so einer malt, können letztlich nichts wert sein, künstlerisch und finanziell … Hätte ich mich etwa, im Namen der Malerei, kleinschrumpfen sollen?
Das Bilddepot in Atelier und Wohnung wuchs an, das Selbstbewusstsein nahm ab, mein Körper indes gewann noch mehr an Präsenz. Da half kein Hadern: Was geht euch meine körperliche Erscheinung an, schaut euch die Bilder an! Doch man will hinter den Bildern, neben den Bildern eine passende Person sehen, und hier erschien ich ganz einfach fehlbesetzt.
Wie damit umgehen? Verbitterung wuchs. Die ist wie schleichendes Gift, so hätte man früher gesagt. Ich vergiftete mich selbst, verhielt mich selbst nahestehenden Personen gegenüber oft giftig, giftete Kollegen an. Selbstintoxikation – auf Dauer keine Lösung. Das Grundgefühl begann umzuschlagen in Rache-Regungen. Einen der arroganten Herren, die an meinen Bildern vorbeischauten, zugleich von mir absehend, einen von denen tatsächlich mal behandeln im Stil eines russischen Leibwächters: Massiv an die Wand drängen … Muskelkraft spüren lassen … Ein Übergriff hätte sich in der Branche freilich rasch herumgesprochen; meine Aussichten hätten gegen null tendiert.
Glauben Sie, meine Herren vom Königlich Belgischen Gerichtshof, so etwas geht spurlos an einem vorüber? Mit jedem Bild mache ich ein Angebot zur Kommunikation; als Gegengabe möchte ich wenigstens ein gutes Wort hören. Ich will nicht soweit gehen, zu sagen, zu schreiben: Ich will geliebt werden, aber eine
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