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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Heeres, wenn auch mit der Kufiya, der arabischen Kopfbedeckung, die sich bei jenen klimatischen Verhältnissen überaus bewährt hat. Rechts neben Musil: Leutnant Reinartz, ebenfalls in Uniform, wenn auch mit Tropenhelm; das Gewehr griffbereit auf den Oberschenkeln. Zur Linken Musils: der bereits genannte Hamid Fakhri Bey, auch er in voller Uniform.
    Hinter dem Führungstrio die Truppe. Den Geländeverhältnissen entsprechend marschiert sie in Zweierreihen – Gleichschritt, wenn auch nicht parademäßig. Von einer Hügelkuppe herab gefilmt, muss die Schlagkraft der disziplinierten Truppe überzeugend wirken; sie muss sich schon vom Erscheinungsbild her als überlegen erweisen.

    Wiederholt zeigt sich nun, dass Musil die Gegend gut kennt. Genaue Hinweise wie: Gleich führt das Tal um dreißig Grad nach Südwesten …
    Und so marschiert der Trupp durch das Erosionstal hinauf zum Höhenrücken, schwenkt nordwärts ab, wechselt hinüber zum Ansatzpunkt des zweiten, fast parallel laufenden Wadi, das zum Durchlass hinabführt. Hier wird das Tal am oberen Abschluss durch eine Schützenkette gesperrt. Der Haupttrupp rückt weiter vor, talabwärts.
    Und Musil erteilt per Funk die Anweisung, dass der Zug weiterfahren soll Richtung Durchlass. Dies, wie verabredet, im Schritttempo. Auf den Dächern, hinter Sandsäcken, in den offnen Seitentüren: es überwiegen die uniformierten Täuschkörper. Selbstverständlich wird der Zug nicht bis zum verminten Durchlass fahren, wird immer langsamer, mit MG s werden die beiden besetzten Hügel unter Beschuss genommen. Dies als fortgesetztes Ablenkungsmanöver, denn nun, wo die Aufmerksamkeit des Briten und seiner »Leibwache« vollends auf den Zug gerichtet ist, der sich der Garland-Mine zu nähern scheint, erfolgt der Angriff im Rücken des Sprengkommandos: Wie ein Panzerkommandant bei offnem Luk reckt Musil den Arm mit geballter Faust, stößt sie dreimal in die Luft, und schon die Aktion der schlagkräftigen regulären Truppe: sie eröffnet massives Feuer auf die Beduinen in deren Ausgangsstellung.
    In dem Moment stößt die Lokomotive zurück, schiebt den Güterzug aus dem Sicht- und Schussbereich des ohnehin verwirrten Sprengkommandos. Und es wird inszeniert, was in den Grundzügen überliefert ist, mehrfach: Unter Druck geraten, bewegen sich die Beduinen wild schreiend durcheinander, schießen mehr in die Luft als auf den Gegner. Und sie ergreifen die Flucht das Bergtal hinauf, westwärts – Orens wird gleichsam mitgerissen. Seitliches Ausbrechen ist zwischen den Felswänden nicht möglich, die Falle ist zu. Die Beduinen reiten und rennen hinein in das gezielte Feuer der das Tal oben abschließenden Schützenkette, die wie auf dem Exerzierplatz Salve um Salve abfeuert. Beduinen, die von Kamelen herabstürzen, Beduinen, die um ihr Leben rennen, sie alle werden abgeknallt. Nur bei einem, bei Lawrence, wird – nach ebenso klarer wie strenger Anweisung – auf das Reittier, nicht auf den Reiter gezielt. So wird er von Soldaten der abriegelnden Schützenkette vom Sattel des zusammenbrechenden Kamels gerissen.
    Die Handlung ist nun mal im Jahr 1917 angesetzt, und die meisten der (hoffentlich überwältigend zahlreichen) Kinobesucher werden wissen, dass Lawrence 1935 mit dem Motorrad tödlich verunglückt ist. Ihm muss im Film also ein Ausschlupf in eine (wenn auch militärisch weithin glanzlose) Zukunft gewährt werden.
    Zugleich muss ihm ein Denkzettel verpasst werden: mehrere Soldaten packen kurze Peitschen, bisher unauffällig an Koppeln hängend, Peitschen, die der Nilpferdpeitsche gleichen, wie sie der Führer in den ersten Jahren nach der Machtergreifung zuweilen mit sich geführt hat. Lawrence hat allen Grund, sich unter den hageldichten Peitschenhieben noch kleiner zu machen, er duckt sich, hebt die Arme über den Kopf, streift dabei versehentlich die Kufiya ab, ist nun zweifelsfrei als der Erzfeind zu erkennen, nun mit allen Zeichen der Verstörung, der Verängstigung, der Panik.
    Hier sollte ich anmerken, dass Lawrence in der Tat einmal von Türken ausgepeitscht wurde, ein Akt der Folterung, den er selbst beschrieben, damit bezeugt hat. So sehe ich mich legitimiert zur Schluss-Sequenz des Films: Lawrence wird in das Hedschas-Gebirge hinausgepeitscht, verliert als panisch Flüchtender im Hitzeflirren die Konturen, löst sich gleichsam auf.
    Und wie zum Schlussappell stellen sich die bisher im Gelände verteilten Soldaten auf in Doppelreihe, die fast noch rauchenden Gewehre bei

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