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Das Gesetz des Irrsinns

Das Gesetz des Irrsinns

Titel: Das Gesetz des Irrsinns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Kühn
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Vormittag des 10 . Oktober 1654 , explodierte in der Nähe des Wohnhauses ein Pulvermagazin, »t’Secreet van Hollandt«. Weitflächige Verwüstung der Stadt, ein halbes tausend Tote. Der Maler wurde verschüttet, wurde aus den Trümmern geborgen, wurde, »geplettert en gesneuvelt«, ins Spital geschafft, starb kurz darauf, mit 32 . Sicherlich wurden bei der Explosion (die eine riesige, bald wassergefüllte Mulde hinterließ) auch zahlreiche Bilder des Malers zerstört – eins tauchte später wieder auf, mit Brandspuren. Auch dieses Schicksal forderte mich dazu heraus, mit meiner Rekonstruktion des Vanitas-Gemäldes den Rang eines Originals zu erreichen, dies auch nach dem Urteil von Experten. All denen, die achselzuckend an meinen F & S-Gemälden vorbeigeschaut hatten, den Blick fixiert auf Sternschnuppen des Kunstbetriebs, ihnen allen wollte ich zeigen, dass ich als Maler einen Rang erreiche, der angemessene Präsentation nicht nur in der Kunstsammlung Göring legitimierte, sondern in einem der großen Museen von Rotterdam oder Amsterdam. Und zwar nicht in einem Nebenraum, sondern exponiert.
    Dieses hohe Ziel erreichte ich mit meinem Fabritius! Wobei ich freilich ein wenig nachhalf. Ich übermittelte der Kanzlei im Waldhof Carinhall die (nicht völlig fingierte) Absichtserklärung des Museums Boijmans Van Beuningen, das neuentdeckte Werk auszustellen. Im Vorfeld mitentscheidend: ein Beitrag von M. H. de Marneffe im »Jaarboek van het Koninklijk Museum voor Schone Kunsten«, Antwerpen; quasi als Echo ein gleichfalls rühmender Beitrag in der reichsdeutschen Zeitschrift »Die Kunst«. Zusätzliche Gütesiegel!
    Nach angemessener Verweildauer in der großen Galerie von Carinhall kehrte das Gemälde für dreieinhalb Monate nach Rotterdam »zurück«; für die organisatorische Abwicklung sorgte Dr. Kayser. Und rechtzeitig erschien, in Übersetzung, ein Artikel von Walter Andreas Hofer in »Boijmans Bijdragen«: indirekte Werbung für die »Neuentdeckung«. So wurde eine Aura höchster Bedeutung geschaffen. Alle Erwartungen der (zahlreichen) Besucher und Bewunderer schienen erfüllt: Ja, die fast völlig abgelaufene Sanduhr … ja, die abgebrannte Kerze … ja, der umgekippte Silberpokal … ja, der Speiserest, von einer Fliege bekrabbelt … ja, der Totenschädel … ja, der abgelöste, neben der Hirnschale deponierte Unterkiefer … ja, und der von rechts her andeutungsweise zugezogene (damals realiter weithin übliche, bildschützende) Vorhang aus erlesenstem Textil … ja, und das besondere Faszinosum: der scheinbare Einriss im Gewebe, das täuschend ähnlich gemalte Loch, ein zusätzlicher Trompe-l’œil-Effekt …
    Ich darf gestehn, dass ich während der Ausstellungsdauer am liebsten jeden Tag im Museum erschienen wäre. Damit hätte ich allerdings unliebsames Aufsehen erregen können mit unberechenbaren Neben- oder Nachwirkungen. So habe ich eine Zeitlang ernsthaft erwogen, mir die Genehmigung der Verwaltung zur Verfertigung einer Kopie einzuholen, sodann meine Reisestaffelei aufzustellen und, meine Perfektion überspielend, eine sichtlich mittelmäßige Kopie anzufertigen, den Blick nicht so sehr auf das gefeierte Gemälde gerichtet, das ich schließlich in jedem Quadratzentimeter kannte, sondern auf die Rücken und Hinterköpfe der zahlreichen Museumsbesucher, die in fast andächtiger Haltung oft erstaunlich lang vor dem Werk verharrten, reglos, wie gebannt – ich kann es nicht anders zum Ausdruck bringen. Nun war es erreicht: ein Gemälde von meiner Hand in einem der führenden Museen Europas ausgestellt, ja herausgestellt.
    Ich artikuliere diese Regungen, um den Verdacht aus der Welt zu räumen, ich hätte nur aus »niedrigen«, sprich: finanziellen Motiven gehandelt. Nein, ich habe mich als Künstler eingebracht; dabei gestehe ich den Faktor Eitelkeit durchaus ein, ohne den in der Malerei nicht immer die höchste Stufe der Intensität erreicht werden kann.
    Die Rückkehr des in der Presse auch mit Abbildungen gefeierten, damit zugleich popularisierten Werks nach Carinhall, sie war, ich kann es nicht anders formulieren, triumphal.

    Mit Blick auf meine damalige Gesamtstrategie muss ich hier auf den finanziellen Aspekt hinweisen: Die Verwaltung Carinhall überwies für den »wiederentdeckten« Fabritius 140 000 Schweizer Franken.
    [Anm.d.Hrsg.: In heutige Kaufkraft umgerechnet hätte der Kaufpreis bei etwa 1 , 3 Millionen Euro gelegen.]
    Für mich ein doppelter Triumph: Ich habe Göring wieder einmal schwer

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