Das Gesetz des Irrsinns
wie es in der Anklageschrift heißt, vielmehr habe ich jeweils etwas von dem Geld in unser Land zurückgeholt, das uns von der Besatzungsmacht kontinuierlich geraubt wurde, unter erniedrigenden Konditionen, deren allerschlimmste sicher diese war: Dass wir die Besatzungsmacht auch noch bezahlen mussten, in ungeheuerlichen Monatsraten von etwa 100 Millionen: Stationierungskosten, Zahlungen für Quartierdienst, Kriegskostenbeitrag zum »antibolschewistischen Kampf«. Dies alles überstieg unser gesamtes Steuereinkommen, ständig musste unsere Regierung Kredit aufnehmen, zu immer ungünstigeren Konditionen. Zusätzlich wurden auch noch unsere Goldreserven eingezogen, tonnenweise, wurden abtransportiert. Zu allem Überfluss kamen die sogenannten Sachleistungen hinzu: mehr als tausend Lokomotiven, über 20 000 Eisenbahnwaggons! Dazu alles, was man im Großdeutschen Reich noch brauchen konnte an Blei und Stahl, an Kohle und Zement. Ich war mir dessen bewusst, vor allem nach Informationen durch Albert, der sie wiederum aus erster Hand hatte, dass auch wir Belgier hemmungslos und skrupellos ausgeplündert wurden, bis hin zur Ausschöpfung letzter, allerletzter Reserven. So war es auch ein kleiner, privater Rachefeldzug, dass ich Gelder in unser geschundenes, an den Rand des Bankrotts getriebenes Land zurückholte. Dies war jedenfalls meine Intention. Auch unter diesem Aspekt sehe ich keinen berechtigten Ansatz für den Anklagepunkt »Kollaboration mit dem Feinde«.
Abschließend sei vermerkt: Ich habe auch dafür gesorgt, dass mein Claesz, mein Fabritius in der Sammlung Göring von der Bildfläche verschwanden – um das paradox auszudrücken. Mit dem Zerfall des Dritten Reichs, dem sukzessiven Abzug der Besatzungsmacht habe ich im Interregnum die Chance genutzt, dem Reichsmarschall den Hieb zu versetzen, den ich in Wunschträumen oft schon vorweggenommen hatte.
In der Ausführung ging ich auf einem Umweg vor, um direkter ans Ziel zu kommen. Ich schob einen spanischen Kunstfreund und Patrioten vor, Juan Sánchez-Cotán, der zwar nicht eine faschistische Waffenbrüderschaft mit Nazis feiern (die hatte der Generalissimus verweigert), immerhin aber von franquistisch-nationalsozialistischer Verbundenheit ausgehen konnte.
Nach diesem vertrauensbildenden Präludium die Mitteilung an die Adresse Carinhall: Wie aus sicherer Quelle verlaute, seien zumindest (!) die beiden (genau aufgeführten) Gemälde gefälscht. Die sogenannten Echtheitszertifikate seien unter Anwendung von Gewaltmitteln erpresst worden. Nun wisse man auch in Spanien, wie sehr dem Herrn Reichsmarschall daran liege, seinen Namen vor der Geschichte reinzuhalten, in diesem Sinne solle ihm mit der vertraulichen Mitteilung zumindest die Schande eines düpierten Kunstsammlers erspart bleiben.
Ich legte diesem Schreiben (das ich in Ermangelung einer spanischen Briefmarke ohnehin »weiterleitete«) zwei Fotos bei, die mich, in Rückansicht, bei der Arbeit am Claesz wie am Fabritius zeigten.
Die Folge: meine Arbeiten wurden von Hermann Göring vernichtet, dies mit dem gesamten Gebäudekomplex Carinhall. Als die Rote Armee die Oder bereits überschritten hatte, ließ Göring seinen Besitz auf 24 Lastwagen verladen, die Richtung »Alpenfestung« losgeschickt wurden. Von Männern der Flakbatterie wurden Fliegerbomben in Carinhall platziert und kurzgeschlossen. Göring ließ es sich nicht nehmen, kurz vor der endgültigen Abfahrt die Sprengung persönlich auszulösen. Oder rauschte er einfach ab, überließ die Vernichtung von Carinhall dem Sprengkommando? Wie auch immer: eine Explosion, die auch meine Valuta-Gemälde zerstörte. Womöglich entsprach die Sprengkraft der gekoppelten Bomben der jenes Pulverturms von Delft – eine fast schon leitmotivische Verbindung.
Mit diesen Anmerkungen möchte ich meinen wahrheitsgetreuen Bericht abschließen, der – so erhoffe, ja erwarte ich – meiner Verteidigung dienen wird. In diesem Sinne bitte ich das Hohe Königliche Gericht um ein gerechtes Urteil.
Hochachtungsvoll: Norbert Verdonck.
Vom Gold im Mund des Führers
Sehr geehrte Deutschland-Redaktion! Gemäß telefonischer Vorabsprache mit Ihrem Kollegen Frank Hädrich erlaube ich mir, folgende Ausführungen vorzulegen, in der Hoffnung, sie mögen sich als geeignet erweisen für die Ihrerseits geplante Berichterstattung über Vorgänge, die signifikant sein dürften für die Mentalitätsgeschichte unseres Landes.
Zur Sache! Mein Großvater Arthur Hanrath übernahm 1934 die
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